Umfrage

Migranten fühlen sich in Deutschland wohl, aber nicht anerkannt

Die meisten Zuwanderer fühlen sich in Deutschland heimisch und brin­gen dem deutschen Staat und seinen Institutionen großes Vertrauen entgegen. Zugleich fühlt sich fast die Hälfte von ihnen aber weniger anerkannt als Einheimische und ist überzeugt davon, dass Schüler aus Zuwandererfamilien benachteiligt werden. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung, die vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt wurde.

Die Studie, für die insgesamt 1.581 Menschen mit Migrationshintergrund befragt wurden, erlaubt erstmals auch Vergleiche von Einstellungen bestimmter Zuwanderergruppen. Dabei wird deutlich, dass sich türkischstämmige Menschen und Zuwanderer aus Russland weit weniger aner­kannt fühlen als Menschen aus anderen Herkunftsländern.

Der Studie zufolge fühlen sich über zwei Drittel der Zuwanderer (69 Prozent) in Deutschland wohl. Die meisten empfinden sich überwiegend als Teil der deutschen Gesellschaft (58 Prozent), nur für fünf Prozent trifft dieses nicht zu. Das Vertrauen von Menschen mit Migrationshintergrund in den Staat und seinen Institutionen ist teilweise deutlich größer als das der Bevölkerung insgesamt: Den Gesetzen vertrauen beispielsweise 80 Prozent der Migranten, in der Gesamtbevölkerung sind es nur 58 Prozent. Auch die Zufriedenheit mit dem Leben in Deutschland ist bei Zuwanderern sehr ausgeprägt: So sind 79 Prozent mit ihrer Arbeit zufrieden, 77 Prozent mit ihrer jetzigen Wohnsitua­tion.

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Aber nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit ihrem Herkunftsland oder dem der Eltern identi­fizieren sich Menschen aus Zuwandererfamilien. 41 Prozent fühlen sich Deutschland und ihrem Heimatland gleichermaßen verbunden. Die meisten Zuwanderer empfinden diese doppelte Ver­bundenheit als Vorteil und sehen keinen Identitätskonflikt. Drei Viertel von ihnen möchten die Werte und Traditionen aus der Herkunftsgesellschaft mit Werten und Traditionen in Deutschland verbinden. Nur eine kleine Minderheit (sieben Prozent) will sich vollständig assimilieren. Neben der Identifikation mit Deutschland und dem Herkunftsland spielt auch Europa eine Rolle. Die Verbun­denheit mit Europa ist bei Zuwanderern mit 34 Prozent deutlich höher ausgeprägt als bei der Be­völkerung insgesamt (13 Prozent).

Bei den Türkischstämmigen und bei Zuwanderern aus Russland ist das Gefühl, in Deutschland nicht anerkannt zu sein, weit stärker verbreitet als im Durchschnitt (48 Prozent): Bei den Menschen mit türkischen Wurzeln sind es 61 Prozent, bei denen mit einem russischen Migrationshintergrund 55 Prozent. 24 Prozent der Türkischstämmigen fühlen sich fremd in Deutschland – unter allen Be­fragten sind es lediglich 14 Prozent.

„Die Zufriedenheit der meisten Migranten mit ihrem Leben ist ein positives Signal für das Einwan­derungsland Deutschland“, kommentiert Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, das Ergebnis der Befragung. „Integration ist aber kein einseitiger Prozess. Wenn auch noch mehr türkisch- und russischstämmige Zuwanderer sich heimisch in Deutschland fühlen sol­len, brauchen sie mehr Anerkennung – und Chancen, die Zukunft unseres Landes mitgestalten zu können“, so Dräger weiter: „Ohne faire Bildungschancen gelingt weder Integration noch Partizipa­tion.“

42 Prozent der Zuwanderer glauben allerdings, dass Kinder aus Migrantenfamilien nicht die glei­chen Chancen wie deutsche Schüler haben. Bei Personen der dritten Generation sind es sogar 52 Prozent. Die Umfrage verdeutlicht auch mangelnde Möglichkeiten der politischen Beteiligung: 60 Prozent der Befragten haben bei den kommenden Bundestagswahlen kein Wahlrecht, bei der hier geborenen zweiten Generation aus Zuwandererfamilien sind es sogar 68 Prozent.