Forscher

Anwerben von Pflegekräften löst Probleme nicht

Migrationsforscher Jochen Oltmer warnt davor, Pflegefachkräfte aus weniger entwickelten Staaten anzuwerben. Der Fortzug von Fachkräften habe dramatische Folgen für die Heimatländer. Dirk Baas

Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer warnt davor, vermehrt Pflegefachkräfte aus weniger entwickelten Staaten für die westlichen Industrieländer anzuwerben. Der Wegzug gut ausgebildeter Fachkräfte habe dramatische Folgen für das Gesundheitswesen der Heimatländer, sagte der Historiker dem „Evangelischen Pressedienst“. „Dort drohen die Versorgungssysteme zu versagen, auch mit negativen Folgen für die meist ohnehin schon begrenzten Kapazitäten für die Ausbildung“, betonte der Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien.

Die Abwanderung von Fachkräften etwa nach Europa bedeute, dass die ohnehin schlechtere Versorgung in den Herkunftsländern weiter verschlechtert werde. Dieser sogenannte „Brain Drain“, der Verlust an Talenten, geht Oltmer zufolge vielfach auf Kosten der Steuerzahler der ärmeren Gesellschaften, die die Ausbildung von Pflegekräften finanziert haben.

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Oltmer skeptisch

Der Professor sieht den Einsatz von ausländischem Personal zur Lösung der hiesigen Personalprobleme generell kritisch: „Zuwanderung kann einen Beitrag dazu leisten, in einer Übergangsphase, in der es um eine grundsätzliche Neuausrichtung im Pflegebereich geht, ein Stück weit einen Mangel auszugleichen. Er kann auch dazu dienen, Pflegekräfte aus anderen Ländern aus- und fortzubilden. Sehr viel mehr aber nicht.“

Das Argument der Zuwanderungsbefürworter, Heimatstaaten wie die Philippinen profitierten von hohen Geldüberweisungen durch Familienangehörige aus den europäischen Ländern, lässt Oltmer nicht gelten. Zwar gehe es um Summen in Milliardenhöhe, doch gebe es „keinen Beleg dafür, dass die Rücküberweisungen höher sind als die Ausbildungskosten, die investiert worden sind“.

Gefahren für die Herkunftsländer

Zudem hätten diese Geldflüsse auch negative Konsequenzen: „Dadurch steigt die Inflationsgefahr in den Herkunftsländern.“ Die Überweisungen führten außerdem dazu, dass sich der Staat aus dem Bildungs- und Gesundheitssystem zurückziehe. Denn Angehörige, die diese Gelder erhalten, seien in der Lage, Schul- und Universitätsgebühren, Arzt- und Krankenhausaufenthalte selbst zu bezahlen. „Deshalb können, so denken manche Regierungen, staatliche Leistungen zurückgefahren werden – neue Ungleichheiten sind die Folge.“

Oltmer warb dafür, die Anwerbungen von Fachkräften in anderen Ländern vertraglich zu regeln. „Internationale Standards müssen entwickelt werden, damit die Konkurrenz um Pflegefachkräfte die globale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung nicht weiter anwachsen lässt.“ Vor allem aber müsse der Ausbau der nationalen Ausbildungssysteme weltweit massiv vorangetrieben werden. (epd/mig)