Ein Islamgesetz für Deutschland?

Der Vorbildcharakter des österreichischen Gesetzes ist umstritten

Kaum hat Österreich ein neues Islamgesetz verabschiedet, wird das Modell auch in Deutschland diskutiert. Die Meinungen gehen sichtlich außeinander – vor allem bei der Finanzierungsfrage. Die alles entscheidende Frage ist aber: Wäre ein Islamgesetz in Deutschland überhaupt möglich?

Das neue Islamgesetz in Österreich schlägt in Deutschland hohe Wellen. Wie und ob das Gesetz allerdings auf deutsche Verhältnisse übertragen werden könnte, wird unterschiedlich beurteilt. Die Diskussion ist vor allem an der Finanzierung von Moscheegemeinden aus dem Ausland entbrannt. Kritiker hinterfragen aber auch, ob die österreichische Rechtslage einfach auf Deutschland übertragen werden kann.

Prinzipiell unterscheidet sich die Situation in Deutschland grundlegend von der österreichischen. Das österreichische Gesetz hat seine Wurzeln im Habsburgerreich vor über hundert Jahren. Es wurde nach der Annexion Bosniens verabschiedet, um auch bosnischen Muslimen Rechtsicherheit und Religionsfreiheit zu gewähren. In Deutschland sind die Beziehungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in Staatsverträgen auf Länderebene geregelt. Was bei den Kirchen eine lange Tradition hat, findet inzwischen auch für Muslime Anwendung. So gibt es erste Staatsverträge mit Muslimen in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen.

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Unterschiede gibt es auch im Blick auf den Körperschaftsstatus. In Deutschland steht der Status nach dem Grundgesetz prinzipiell allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften offen. Neben den Kirchen haben hier etwa die Baha’i, die Zeugen Jehovas und die Ahmadiyya-Gemeinde in Hessen den Körperschaftsstatus. Die großen Islamverbände haben diesen Status indes nicht, da sie die formalen Kriterien nicht verfüllen. In Österreich regeln je eigene Gesetze für die Kirchen und die israelitischen Kultusgemeinden den Körperschaftsstatus.

Trotz dieser Unterschiede sieht der Zentralrat der Muslime, der 28 muslimische Verbände deutscher, türkischer, arabischer, bosnischer und iranischer Muslime vertritt, in dem Gesetz ein Vorbild für Deutschland. „Wir brauchen so eine Richtung in Deutschland, um wieder Normalität und Selbstverständlichkeit in der muslimischen Community herzustellen“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek. Insbesondere befürwortete er das Verbot der Auslandsfinanzierung muslimischer Vereine und eine Ausbildung von Imamen in Deutschland.

Anders sieht das die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), die ein Verbot strikt ablehnt. Der Verband, der dem Ministerium für religiöse Angelegenheiten in der Türkei untersteht, wäre direkt von einem Verbot der Auslandsfinanzierung betroffen. Die Religionsbehörde in Ankara entsendet die Geistlichen, die in den rund 900 Moschegemeinden in Deutschland dann predigen. Häufig sprechen diese Prediger kaum deutsch.

Darüber, wer in den Moscheen in Deutschland predigen sollte, ist inzwischen ein politischer Streit entbrannt. Mehrere CDU-Politiker um den Bundestagsabgeordneten Jens Spahn hatten Ende vergangener Woche ein Thesenpapier gegen sogenannte „Import-Imame“ vorgelegt. Ihr Vorwurf: Die Imame kennen weder die deutsche Sprache noch die Gepflogenheiten in Deutschland. Hass-Prediger wie Pierre Vogel oder Sven Lau, die die Sprache der Jugend sprechen und auf Deutsch predigen, sind nach Ansicht der Unions-Politiker näher an den Jugendlichen als die aus der Türkei entsandten Imame.

Hingegen halten Politiker von SPD und Grünen ein Islamgesetz für Deutschland für entbehrlich. Zunächst müsse ein breiter Dialog mit den islamischen Spitzenverbänden geführt werden, empfahl der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) im Deutschlandradio Kultur. Der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, warnte im Kurznachrichtendienst Twitter vor einer „Sprachpolizei in Gotteshäusern“. Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte Beck darauf hingewiesen, der Einfluss durch Geld oder Personal aus dem Ausland lasse sich in Deutschland wohl nicht verbieten. Wo dies geschehe, wie etwa in einigen muslimischen Ländern gegenüber christlichen Kirchen, würden derlei Maßnahmen von westlichen Ländern zu Recht kritisiert.

Auch der Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig hält das österreichische Islamgesetz nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar. „Die Voraussetzungen für Religionsunterricht, Militär- und Gefängnisseelsorge oder den öffentlich-rechtlichen Status sind von Verfassung wegen für alle Religionsgesellschaften gleich“ sagte er. Darüber hinaus seien einzelne Bestimmungen wie Lehrstühle für islamische Theologie und besonderen Feiertagsschutz in Deutschland bereits rechtlich geregelt. Mit Blick auf das Verbot der Auslandsfinanzierung äußerte Heinig Zweifel, ob ein striktes Verbot das richtige Mittel für einen freiheitlichen Verfassungsstaat sei. (epd/mig)