Der evangelische Theologe, Publizist und Talkshowmoderator Jürgen Fliege äußerte in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ katholische Kindergärten seien deswegen so begehrt „weil sie türkenfrei sind“. Daraufhin erwiderte Stefan Matussek, weiterer Gast der Runde, Fliege hätte „das Vokabular eines Unmenschen“ gebraucht. Der türkische Elternverein wertete Flieges Aussage dann später als Diskriminierung. Fliege kontert nun, er wurde missverstanden.
Eltern wollen sich Integration entziehen
Im Gespräch mit dem MiGAZIN erläutert er, dass er lediglich den gesellschaftlichen „Ist-Zustand“ beschreiben wollte, den er aber keinesfalls begrüße. „Für mich ist es offensichtlich, dass viele Eltern ihre Kinder auf katholische Schulen schicken, weil Sie sich ihrer gesellschaftlichen Aufgabe der Integration entziehen wollen,“ so der TV-Prediger.
Er selbst habe acht Jahre in Berlin gewohnt und dort seine zwei Töchter auf eine evangelische Schule geschickt. Im Gespräch mit Eltern aus weniger bürgerlichen Stadtteilen kristallisierte sich auch heraus, dass viele der anderen Eltern ihr Kind nicht etwa aus religiösen Gründen in die evangelische Schule geschickt hätten. Vielmehr sei es für viele Eltern entscheidend gewesen, dass ihr Kind „nicht mit so vielen Türken zusammen lernt“. Fliege ist der Meinung, dass Privatschulen Eltern Unterschlupf bietet, „die die Auseinandersetzung um die Integration scheuen“.
Mangelnde Zukunftschancen
Er bedauert, dass viele Christen „Angst vor der islamischen Kultur und Überfremdung haben“. Fliege ist der Meinung, dass viele muslimische Mitbürger der zweiten Generation keine Zukunftschancen sähen. Als Konsequenz lebten die betroffenen Muslime rückwärts fundamentalistisch wie in Anatolien. Hierdurch komme dann eine Distanz zu der Mehrheitsgesellschaft zustande. „Diese Lebensweise verstört viele von uns Christen,“ so Fliege.
„Aber wir Christenleute sollten den Nächsten lieben wie uns selbst. Wir sollten dann auch andere Religionen unserer Mitmenschen lieben und achten. Wenn wir Achtung vor der muslimischen Religion haben, schützt das vor der Fremdenangst.“ Die Aufgabe der Kirche sei es, die eigenen verunsicherten Leute in ihrem Christsein zu stärken. Dann sinke die Angst vor dem Fremden wie von selbst.
Kirchenparlamente in die Türkei
„Wir müssen unseren eigenen Leuten auch klar machen, dass das Christentum selbst aus der Türkei kommt. Das sollte man nicht verstecken,“ erklärt Fliege. Zum Beispiel könne man Kirchenparlamente in der Türkei tagen lassen. Der Glaube an Jesus, den Gottessohn, wäre immerhin in einem Vorort von Istanbul geprägt worden.
Auch empfiehlt er den Deutschen, die Türkei zu bereisen. Dort könne man die Menschen und deren Prägung gut kennenlernen. „Die Reisen dahin sind doch oft ein Schnäppchen,“ setzt Fliege hinzu. Denn die Menschen müssten Erfahrungen mit anderen Kulturen machen und mit Fremden Freundschaften schließen. Die Bundesregierung könne in diesem Zusammenhang auch Reisen in die Türkei fördern, schlägt Fliege vor. Solche Integrationsreisen unterstütze schließlich auch die türkische Regierung.
Außerdem könnte die muslimische Tradition oder das geistliche Wort in die christliche Gemeinde aufgenommen werden. „Wir könnten das geistliche muslimische Wort zum Beispiel in den Gemeindebrief integrieren, um auf unsere Gemeinsamkeiten hinzuweisen,“ setzt der Theologe hinzu. Auf der anderen Seite würde er es begrüßen, wenn sich die Türkei weiter für Kirchen und Christen öffnet. Denn gingen beide Länder aufeinander zu und zeigten Akzeptanz gegenüber der anderen Religion, so schaffe das eine „wahre geistliche Brücke über den Bosporus“.
Presse habe vorschnell geurteilt
Die Presse habe ihn vorschnell beurteilt, findet Pfarrer Fliege. „Die Presse ist sich ihrer Verantwortung nicht immer bewusst. Auf der Suche nach Skandalen wird man schnell und dümmlich als ‚Rassist‘ abgestempelt. Und dann kommen die falschen Freunde aus den Löchern und applaudieren. Da tut uns die sogenannte kritische Presse keinen Dienst.“