Inobhutnahmen 2010

Jugendämter intervenieren bei ausländischen Kindern immer häufiger

Die Zahl der Inobhutnahmen ist im Jahr 2010 um acht Prozent gestiegen. Der Anstieg beträgt bei ausländischen Kindern sogar 16 Prozent. Im Ländervergleich ist Hamburg Spitzenreiter. Dort sind drei von fünf Kindern in Obhut ausländisch.

Im Jahr 2010 haben die Jugendämter in Deutschland 28 300 deutsche und 8 100 ausländische Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Das waren insgesamt rund 2 600 (+ 8 Prozent) mehr als 2009. Wie das Statistische Bundesamt außerdem mitteilt, lag die Zahl der von Schutzmaßnahmen Betroffenen damit um 42 Prozent höher als noch vor fünf Jahren.

Ausländische Kinder immer öfter betroffen
Auf Anfrage des MiGAZIN wurde weiter mitgeteilt, dass insbesondere die Zahl der in Obhut genommenen ausländischen Kinder unverhältnismäßig steigt. So waren 2010 in rund 22 Prozent (8 100) aller Fälle ausländische Kinder von Schutzmaßnahmen der Jugendämter betroffen, im Jahr zuvor betrug diese Quote rund 21 Prozent (7 000). Dieser Anstieg wird besonders deutlich, wenn man die Quoten separat betrachtet: So betrug der Zuwachs der Inobhutnahmen bei deutschen Kindern und Jugendlichen 5,7 Prozent, bei ausländischen Kindern lag dieser Wert bei knapp 16 Prozent.

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Eine Inobhutnahme ist eine kurzfristige Maßnahme der Jugendämter zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, die sich in einer akuten, sie gefährdenden Situation befinden. Jugendämter nehmen Minderjährige auf deren eigenen Wunsch oder aufgrund von Hinweisen Anderer (etwa der Polizei oder von Erziehern) in Obhut und bringen sie in einer geeigneten Einrichtung unter, etwa in einem Heim.

Der langfristige Vergleich verdeutlicht den unverhältnismäßigen Anstieg noch einmal: Im Jahre 2006 waren noch knapp 4 600 ausländische Kinder von Schutzmaßnahmen betroffen. Bis 2010 bedeutet das ein Anstieg von fast 77 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Im selben Zeitraum betrug der Anstieg bei deutschen Kindern vergleichsweise niedrige 32 Prozent.

Hamburg alleiniger Spitzenreiter
Im Ländervergleich fällt vor allem ein Ausreißer auf: In Hamburg machen die in Obhut genommenen ausländischen Kinder über 62 Prozent (53 Prozent im Vorjahr) aller Fälle aus (1 100). Im Vergleich dazu beträgt diese Quote in Berlin vergleichsweise niedrige 27 Prozent, obwohl Berlin einen höheren Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung ausweist als Hamburg. Auch in anderen Bundesländern mit ähnlich hohem Ausländeranteil – Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Bremen – ist maximal nur jedes vierte in Obhut genommene Kind ausländisch. Nur Hessen weist mit knapp 36 Prozent einen höheren Wert auf, bleibt dennoch weit hinter Hamburg zurück.

Die Zahl der Inobhutnahmen bei deutschen und ausländischen Kindern gemessen am Bevölkerungsanteil © MiG

Wie diese Hamburger und allgemein steigenden Quoten bei ausländischen Kindern zustande kommen, wird noch zu klären sein. Eine mögliche Erklärung ist die stark zunehmende Zahl der Jugendlichen, die aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland in Obhut genommen wurden. Betraf dies im Jahr 2008 noch 1 100 Jugendliche, so stieg die Zahl 2009 auf 1 950 Jugendliche und 2010 auf 2 800 Jugendliche – ein Anstieg gegenüber 2008 um 157 Prozent.

Ausländische Kinder kehren seltener zurück
Glücklicherweise kehrten insgesamt 15 300 oder (42 Prozent) junge Menschen nach der Inobhutnahme zu den Sorgeberechtigten zurück. Eine Aufschlüsselung nach deutschen und ausländischen Kindern ergibt aber auch hier eine deutliche Schieflage. Während rund 44 Prozent (28 300) aller von Schutzmaßnahmen betroffenen deutschen Kinder zu ihren Sorgeberechtigten zurückkehren konnten, betrug diese Quote bei ausländischen Kindern nur rund 35 Prozent (8 100). (es)