Studie

Ohne Zuwanderung drohen Konsequenzen für Sozialsysteme

Bis 2025 fehlen bis zu 6,5 Millionen Arbeitskräfte, darunter rund 2,4 Millionen Akademiker. Ohne Zuwanderung ist diese Lücke kaum zu schließen. Die Vorausseztungen dafür sind: gesellschaftlicher Sinneswandel und Willkommenskultur.

Der demografische Wandel wird den Wettbewerb um Fachkräfte in Deutschland spürbar verschärfen. Bis 2025 fehlen bis zu 6,5 Millionen Arbeitskräfte, darunter rund 2,4 Millionen Akademiker. Ohne Zuwanderung ist diese Lücke kaum zu schließen. Das geht aus der neuen McKinsey-Studie „Wettbewerbsfaktor Fachkräfte – Strategien für Deutschlands Unternehmen“ hervor, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen: „Uns geht nicht die Arbeit aus, sondern die Arbeitskräfte. Die Herausforderung des Fachkräftemangels ist gewaltig, aber Deutschland kann es schaffen, wenn Staat und Unternehmen in ihren Bereichen jetzt die richtigen Weichen stellen. Wir müssen systematisch an die bisher brachliegenden Millionenpotenziale für unseren Arbeitsmarkt rangehen. Zentrale Gruppen für das Schließen der Fachkräftelücke sind Frauen, Ältere und junge Menschen mit schlechten Startchancen. Qualifizierte Zuwanderung kann zusätzlich helfen, die Lücken zu schließen.“

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Konsequenzen für Sozialsysteme
Denn „ohne Zuwanderung müssten die Deutschen sich damit abfinden, langfristig in einer alternden Gesellschaft mit schrumpfender Bevölkerungszahl zu leben – mit allen Konsequenzen für Wirtschafts- und Sozialsysteme“, so die Autoren der Studie.

In Deutschland wird das Erwerbspersonenpotenzial nach Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ohne Zuwanderung und bei konstanter Erwerbsquote von heute rund 45 Mio. auf knapp 27 Mio. Personen 2050 sinken. Diese Entwicklung verläuft nicht linear: Bis 2020 schrumpft das Erwerbspersonenpotenzial noch moderat um 3,6 Millionen auf 41, bis zum Jahr 2025 aber schon um 6,5 Millionen auf dann nur noch gut 38 Millionen Personen.

Positive Effekte für das Steuersystem
Dennoch werde das Thema Zuwanderung kontrovers diskutiert – leider oft wenig rational und ohne Kenntnis der Fakten. Allerdings scheine sich immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass Zuwanderung nicht nur wirtschaftlich notwendig, sondern auch gesellschaftlich wünschenswert sein könne. Zur Vermeidung des drohenden Fachkräftemangels könnte laut Studie eine gesteuerte Zuwanderung jedenfalls einen deutlichen Beitrag leisten – mit bis zu 800.000 Fachkräften bis 2025. Zudem seien positive Effekte für Erwerbspersonenpotenzial, Geburtenzahlen und das Steuer- und Sozialsystem zu erwarten.

Allerdings ist es keineswegs so, dass Fachkräfte in großer Zahl darauf warten, nach Deutschland gerufen zu werden. Im Jahr 2009 sind laut Bundesagentur für Arbeit nur etwa 17.000 Fachkräfte nach Deutschland gekommen. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung kommt hierzulande nur ein qualifizierter Zuwanderer auf fast 5.000 Einwohner – in Kanada sind es dagegen fast sechs.

Sinneswandel und Willkommenskultur
Gemäß einer aktuellen Studie des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und Bertelsmann Stiftung steht Deutschland auch im europäischen Wettbewerb um die besten Köpfe nur im Mittelfeld. Schweden, Österreich, Großbritannien und Belgien sind vorbeigezogen und konnten relativ zur Bevölkerung mehr Hochqualifizierte für sich gewinnen.

Download: Die Studie Wettbewerbsfaktor Fachkräfte – Strategien für Deutschlands Unternehmenfinden kann auf mckinsey.de kostenlos heruntergeladen werden.

Die Experten führen weiter aus: „Wenn Deutschland im Kampf gegen den drohenden Fachkräftemangel auf gesteuerte Zuwanderung setzen will, gilt es, die Zuwanderungspolitik entsprechend zu gestalten. Das Land muss für qualifizierte Fachkräfte, attraktiver werden – u.a. durch Abbau rechtlicher und bürokratischer Hürden. Doch administrative Maßnahmen allein reichen nicht: Deutschland muss klar signalisieren, dass qualifizierte Zuwanderung erwünscht ist, und daran arbeiten, als attraktives Zielland wahrgenommen zu werden.“

Denkbare Initiativen wären eine internationale Image- und Werbekampagne, die Beschäftigung von Anwerbungsbeauftragten an allen Außenhandelskammern und die Ausweitung fremdsprachiger Kinderbetreuungsangebote – die Mehrausgaben würden 200 bis 400 Mio. EUR pro Jahr betragen. „So naheliegend derartige Ansätze sind – ihre Wirkung ist kaum prognostizierbar, denn eine Willkommenskultur lässt sich weder verordnen noch monetär beziffern, sondern verlangt einen gesellschaftlichen Sinneswandel. Neue rechtlich-politische Rahmenbedingungen können dazu einen wichtigen Impuls geben“, resümieren die Autoren. (nis)