EU-Marathon der Türkei

Revolution JA – Einwandern NEIN!

Die EU hat schnell reagiert und den Staaten Ägypten und Tunesien finanzielle sowie administrative Unterstützung angeboten. Jedoch wird sie mit ihrer strikten Ablehnung von Flüchtlingen wieder einige Sympathiepunkte verspielen und vielleicht damit auch ihren Einfluss.

Zu Recht sagte der ägyptische Politikwissenschaftler Amr Hamzawy im ZDF-Spezial am Dienstagabend „Was nun, Nahost?“, dass er die Diskussion in Europa um die Sicherheit Israels und die Sorge um die Migration nicht nachvollziehen könne. Diesen Eindruck hatten ihm die Standpunkte der geladenen Gäste, unter ihnen Außenminister Westerwelle und der ehemalige Botschafter Shimon Stein, erweckt. Dabei hat der Hohe Militärrat Ägyptens bereits frühzeitig unter seinem Vorsitzenden Mohamed Hussein Tantawi die Verpflichtung zu allen internationalen Verträgen untermauert. Ferner gab es keine einzige Stimme, weder während der Demonstrationen noch nach der Abdankung Mubaraks, die sich gegen Israel aussprach.

Dass weitere Flüchtlinge in großer Zahl nach Europa zu gelangen versuchen, kann noch nicht endgültig geklärt werden. Daher scheint eine Interpretation der Umbrüche einzig vor dem Hintegrund der Migrationsangst – Gefahr zu laufen, mögliche Chancen in der Region völlig auzublenden.

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5000 Flüchtlinge bremsen die zaghafte Euphorie in der EU
Man konnte feststellen, dass die EU sich vor der Abdankung Mubaraks sehr passiv verhalten hat. Nach seiner Abdankung beeilte man sich daher umso schneller, den Ägyptern zu gratulieren und alsbald machte sich eine zaghafte Euphorie in Europa breit. Diese Euphorie fand aber ihr jähes Ende. Sie wurde von 5000 Flüchtlingen aus Tunesien, welche auf die italienischen Insel Lampedusa geflohen waren, beendet. Die Flüchtlinge erwartet auf dieser Insel keine frohe Botschaft. Sie werden womöglich mit dem Satz abgefertigt, der unisono auch von der Bundesregierung vertreten wird: Es gebe keinen Anlass zur Flucht und Tunesien brauche jeden Bürger zum Aufbau des Landes, so die Quintessenz.

Wie zynisch das für die Flüchtlinge klingen mag, die unter Lebensgefahr zu ihrer Insel der vermeintlichen Glückseligkeit gelangten, überlasse ich der kritischen Bewertung des Lesers. Folglich wird ihre Freiheit vor den Grenzen der EU enden! Eins ist jedoch gewiss, dass diese Doppelmoral, des Helfens und Ablehnens, der EU langfristig schaden wird. Denn sie macht es sich hierdurch nicht einfacher, wenn sie Einfluss auf die arabischen Länder ausüben und den demokratischen Prozess dort begleiten möchte.

Weitere Umbrüche auf dem Vormarsch
Der Revolutionsfunke ist derweil auf die Staaten Iran, Bahrain, Libyen und Jemen übergesprungen. Die Staatschefs dieser Länder stehen vor einer vereinten Menschenmenge des Zorns. Diese wieder zu beruhigen, scheint sogar mit der Ankündigung von substanziellen Reformen ein schier aussichtsloses Unterfangen zu sein. Einzig der Iran zeigt sich imstande, durch Drohungen gegen die Oppositionsführer Mussawi und Mehdi Karrubin und mithilfe eines großen Aufgebots der Freiwilligen-Miliz (Basij), die Demonstrationen unter Kontrolle zu bringen.

Die Türkei darf nur „das Lager bewachen, aber nicht im Zelt sitzen“ (Brit. Premier Cameron).

Die Rolle der Türkei
Am Montag traf der türkische Präsident Abdullah Gül auf seinen Amtskollegen Ahmadinedschad in Teheran, genau zu der Zeit, da Demonstranten sich gegen die politische Elite auflehnten. Türkische Medien berichten derweil, dass Gül mit den iranischen Demonstranten in Kontakt habe treten wollen, was ihm jedoch verwehrt worden sei. In Europa werden derartige Treffen immerzu als Abkehr vom Westen gewertet. Jedoch stellen sich diese Vorwürfe als eher haltlos dar.

Denn die Türkei verfolgt eine Politik der wirtschaftlichen Integration mit dem Iran, da sie die von der UN und der EU mitgetragenen Sanktionen nicht nachvollziehen kann. Dass der Iran nicht völlig isoliert wird, ist ferner auch im Sinne des iranischen Volkes, das am meisten von Sanktionen betroffen ist. Dabei wird auch immer wieder vergessen, dass die Türkei sich entschieden gegen das Atomprogramm des Iran ausspricht. Folglich segnet die Türkei nicht alle innen- und außenpolitischen Handlungen des Iran ab. In diesem Sinne wirkt Güls Standpunkt auf der Pressekonferenz, dass man die Wünsche der Menschen berücksichtigen solle, höchst interessant.

Die Türkei fügt mit ihrer „zero problem Politik“, einen beträchtlichen Teil zur Befriedung des Mittleren und Nahen Osten bei. In diesem Sinne bleibt die Türkei ein verlässlicher Partner für die EU in dieser Region und erfüllt einen der wichtigsten Punkte der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Dennoch darf sie nur „das Lager bewachen, aber nicht im Zelt sitzen.“