Deutsche Islamkonferenz

Demokratische Streitkultur

Nicht nur in der Fußball-Bundesliga hat fast jeder dritte Profi mittlerweile keinen ursprünglich deutschen Namen mehr, was auf eine andere Herkunft schließen lässt. Ähnlich wie im Fußball leben immer Menschen mit Migrationhintergrund unter uns und wählen Berufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Polizisten und Hochschullehrer.

Sie, die „Migranten-Fußballer“ sind Leistungsträger geworden, ohne sie würde z.B. der populäre Breitensport in Deutschland nicht funktionieren. Der größte Anteil dieser Migranten haben türkische Wurzeln und ihr größtes Kapital neben dem Talent als Fußballspieler ist ein gesundes Selbstvertrauen. Ohne dieses hätte ein Franck Ribery oder Abu Hamsa wie er wegen seines Sohnes genannt wird, ein Mesut Özil, Mohammed Zidane, Nuri Sahin oder Burak Kaplan, um nur einige zu nennen, wohl kaum eine Chance da oben mitzuspielen.

Was im Sport gilt, gilt auch in der Politik, speziell hier in der Islampolitik. Doch machen es die Akteure den Fußballspielern nach? Die Deutsche Islamkonferenz (kurz DIK) des Bundesinnenministers ist so eine Gelegenheit dies zu überprüfen. Schnell feststellbar, wenn man den Äußerungen des Innenministers folgt, dass es ihm an diesem Selbstvertrauen nicht mangelt. Ganz unterschiedlich die muslimischer Seite.

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Die Muslime verknüpften mit der Fortführung DIK die Erwartung, endlich nach so vielen Jahren vergeblichen Mühens die ersten Schritte einer institutionellen Integration des Islam auf der Basis des deutschen Religionsverfassungsrechts zu gehen. Das derzeitige Konzept der DIK leistet aber keinen nachhaltigen Beitrag zur Integration von Muslimen und Moscheegemeinden in Deutschland. In dieser Kritik waren sich alle einig im Koordinationsrat der Muslime (KRM), der den allergrößten Teil der Moscheegemeinden in Deutschland abdeckt.

Doch was und wie die Vertreter der Religionsgemeinschaften die Kritik gegenüber der Politik zum Ausdruck gebracht haben, war alles andere als einig und vergleichsweise dilettantisch und uneffektiv. Das lag vor allem daran, dass eine Reihe von ihnen es schwer fällt – ganz im Sinne einer demokratischen Streitkultur – konstruktiv und im Sinne einer besseren Lösung mit der Politik zu streiten. Zu groß der Respekt, zu groß die Furcht, dass dadurch ihnen institutionelle oder gesellschaftliche Nachteile treffen könnten. Doch unsere Streitkultur, ja unserer Demokratie lebt nun mal davon, Dinge zugespitzt in die öffentliche Debatte mit einfließen zu lassen.

Viele wissen vielleicht nicht, dass das Grundgesetz auch ein Ergebnis – ein geistiges Produkt sozusagen – aus den Erfahrungen der Nazidiktatur war. Das deutsche Grundgesetz stärkt demnach die Rechte der Bürger auch in der Verteidigung gegenüber dem Staat, der eben nicht allmächtig ist, der wertneutral sein muss und letztlich dem Bürger im wahrsten Sinne des Wortes dient. Diese Erfahrung eines liberalen und aufgeklärten Bürgertums haben einige Muslime, die nach Deutschland emigriert sind, einfach nicht und scheinen sich weiterhin wie geduldetet Gastarbeiter zu fühlen. Die Gegenseite nimmt ihnen das dankbar ab. Nicht zuletzt die ministerielle Verortung der DIK II in Abteilung Ausländerpolitik des BMI drückt das deutlich aus.

Es ist also kein Ausdruck von Rebellion, sich nicht alles von der Politik gefallen zu lassen, sondern letztlich gehört im Sinne einer Demokratie ein gesundes bürgerliches Selbstvertrauen dazu, denn nur so lässt sich politisch um die beste Lösung trefflich streiten. Ein staatsgläubiges „der Staat weiß schon, was er macht“ hilft da ebenso wenig, wie sich zu ducken, um ja nicht negativ aufzufallen. Der ZMD hat sich deshalb entschieden einer Teilnahme an der Fortsetzung der DIK in der gegenwärtigen Form nicht zustimmen und seine Kritik in einem klärenden und konstruktiven Gespräch mit dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière erörtern und nach dem Gespräch endgültig zu entscheiden, wie es weiter geht.

All das und viel mehr hätte man von vorne herein erörtern können, ja müssen und so einen Dialog sozusagen auf gleicher Augenhöhe Genüge verschafft. Durch eine gemeinsame Vorbereitungsphase – so wie die Fußballspieler in Trainingslager – hätten viele Fehler vermieden werden können. Leider ist dies und noch viel mehr nicht geschehen.

Dieser Beitrag erschien bereits am 31.03.2010 bereits in der türkischsprachigen Zaman.