Wissenschaftsrat

Aufbau von Islamischen Studien an staatlichen Universitäten

Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Aufbau Islamischer Studien an Hochschulen. Der Vorschlag wird parteiübergreifend begrüßt. Es sei nicht gut, wenn Imame aus dem Ausland kämen.

„Die wachsende Pluralität religiöser Zugehörigkeiten in Deutschland und der steigende Bedarf an wissenschaftlicher Expertise in Fragen der Religion stellen neue Anforderungen an Organisation und Leistungsfähigkeit der damit befassten Wissenschaften“, so der Wissenschaftsrat.

Deshalb wird empfohlen, das theologische und religionswissenschaftliche Feld im deutschen Wissenschaftssystem weiterzuentwickeln: „Das betrifft vor allem auch den Aufbau Islamischer Studien an Universitäten; dies ist der beste Weg, die wissenschaftliche Qualität von Forschung und Lehre zu sichern, das Gespräch mit den anderen Formen wissenschaftlicher Weltauslegung zu intensivieren und auch eine verlässliche theologische Basis für den interreligiösen Dialog zu schaffen.“

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Info: In Deutschland gehören rund 26 Millionen Menschen der Römisch-Katholischen Kirche oder einer Evangelischen Landeskirche an. Die übrigen 40 Prozent Bevölkerung setzen sich aus Anhängern unterschiedlicher Glaubensrichtungen und religiös nicht gebundenen Menschen zusammen. Die größte Teilgruppe innerhalb der nichtchristlichen religiösen Minderheiten stellen mit ca. 4 Mio. die Muslime dar. Von diesen stammen knapp drei Viertel aus sunnitischen Traditionen, 13 Prozent werden der alevitischen und 7 Prozent der schiitischen Richtung zugerechnet. Zusammen machen sie rund 5 Prozent der deutschen Bevölkerung aus.

Islamische Studien seien an deutschen Hochschulen bisher noch nicht etabliert. Dieser Zustand werde der Bedeutung der größten nichtchristlichen Glaubensgemeinschaft in Deutschland nicht gerecht. Daher empfiehlt der Wissenschaftsrat, über die Einrichtung von Einzelprofessuren mit islamisch-religionspädagogischer Ausrichtung hinaus künftig an zwei bis drei Standorten im staatlichen Hochschulsystem größere, für Islamische Studien zu etablieren. Neben Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht sollen dort auch Islamische Religionsgelehrte, Fachpersonal für Sozial- und Gemeindearbeit sowie insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs für Islamische Studien ausgebildet werden. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates beruhen auf dem bestehenden Religionsverfassungs- und Staatskirchenrecht.

Beteiligung muslimischer Verbände und Religionsgelehrte
Im Hinblick auf die institutionellen Erfordernisse, die sich aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungs- und Mitwirkungsrecht der Religionsgemeinschaften ergeben, schlägt der Wissenschaftsrat vor, an den entsprechenden Hochschulen theologisch kompetente Beiräte für Islamische Studien einzurichten. Sie sollen an der Einrichtung, Änderung und Aufhebung von theologischen Studiengängen sowie bei der Einstellung des wissenschaftlichen Personals beteiligt werden.

Die Mitwirkung bei Berufungen erstreckt sich nicht auf die wissenschaftliche und pädagogische Qualifikation der Kandidaten und Kandidatinnen, sondern allein auf die Prüfung, ob aus religiösen Gründen Einwände gegen die von der Universität ausgewählten Personen geltend gemacht werden können. Im Rat sollten muslimische Verbände und Religionsgelehrte sowie muslimische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vertreten sein.

Parteiübergreifender Konsens
Auch für die Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Maria Flachsbarth, ist die Empfehlung des deutschen Wissenschaftsrates „ausdrücklich zu begrüßen“. Das Angebot eines islamischen Theologiestudiums helfe, dass Muslime nicht nur in Deutschland leben können, sondern hier wirklich zuhause sind.

Ähnlich äußerte sich auch der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften Stefan Ruppert und der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion Hartfrid Wolff. Für die Integration des Islams als drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland sei die Ausbildung von Imamen wichtig. „Die Ausbildung von Imamen an deutschen Hochschulen würde eine nachhaltige Integration von Muslimen in unserer Gesellschaft befördern“, meinte auch sein Parteikollege Serkan Tören.

„Es ist ein guter und richtiger Schritt hin zu mehr Gleichbehandlung der Religionen im Wissenschaftsbetrieb“, erklärte auch der religionspolitische Sprecher der Linksfraktion, Raju Sharma. „Die Einführung einer Disziplin ‚Islamische Studien‘ an deutschen Universitäten nimmt die hier lebenden Muslime stärker in die Verantwortung. Sie bietet außerdem die Chance, die Imam-Ausbildung aus den Elfenbeintürmen des Wissenschaftsbetriebs herauszuholen und ihre Praxistauglichkeit in der europäischen Wirklichkeit zu überprüfen.“

Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, begrüßte den Vorschlag ebenfalls. Es sei nicht gut für die Integration, wenn Imame nur aus dem Ausland kämen, erklärte Beck. Sie kennten das Land und die Probleme der Muslime in Deutschland nicht und könnten als Geistliche so ihrer Gemeinde nicht ausreichend Orientierung geben. Die Islamkonferenz müsse daher „ein Road-Map zur Gleichstellung des Islam in Deutschland entwickeln“.

Die hessische Landtagsfraktion der Grünen forderte bereits die Landesregierung auf, sich aktiv dafür einzusetzen, dass sich die hessischen Hochschulen in diesen Prozess einklinken. „Gerade für die Einführung eines Islamunterrichts an Hessens Schulen wäre dies eine wichtige Vorarbeit“, sagte die integrationspolitische Sprecherin Mürvet Öztürk. Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) forderte ebenfalls, dass die Vorschläge des Wissenschaftsrats „bald umgesetzt“ werden.