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Handy (Symbolfoto) © congerdesign @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Sündhaftes Vergnügen

Digitale Währung, digitales Spielen

Migranten sind anfälliger für Spielsucht, wie Studien belegen. Die Gründe sind unterschiedlich und vielfältig. Trotzdem sind Beratungs- und Hilfsangebote in ausländischen Sprachen Mangelware.

Donnerstag, 09.03.2023, 0:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 10.03.2023, 13:17 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Internetseite der Landesstelle Glückspielsucht in Bayern informiert nicht zufällig in acht Fremdsprachen, darunter Türkisch und Arabisch. Experten schätzen den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtzahl von circa 500.000 spielsüchtigen Personen in Deutschland auf etwa 40 Prozent. Zum Vergleich: Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung ist deutlich niedriger.

Seitdem das Spielen mit Kryptowährung möglich ist, wie man etwa bei Krypto Winz.io sehen kann, kommt ein neues Phänomen hinzu: Man spielt nicht mehr mit echter Währung, sondern mit digitalem Geld, was das Gespür für Gewinn und Verlust noch weiter schwinden lässt.

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Warum Personen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland anfälliger für Glücksspiele sind als Deutsche, erklären Experten anhand statistischer Daten. In Deutschland haben Menschen mit Migrationshintergrund ein niedrigeres Bildungsniveau, entsprechend sind sie häufiger arbeitslos oder arbeiten häufiger im Niedriglohnsektor. Kriterien, die Menschen dazu verleiten, sich Hoffnung auf das schnelle Geld zu machen.

Perspektivlose anfällig

Insbesondere Arbeitslose sind Studien zufolge empfänglich für Glückssiele. Die Perspektivlosigkeit ist nur ein Grund, wichtiger ist der Gedanke vom schnellen Geld sowie der Adrenalinschub beim Spielen. Dank dieser „Kicks“ entkommen die Menschen zumindest für eine kurze Zeit ihrem tristen Alltag, der häufig von Langeweile geprägt ist.

Etwaige Sprachbarrieren sind beim Zocken nahezu bedeutungslos, die Regeln üblicher Glücksspiele sind weltweit bekannt und überall gleich. Hinzu kommt, dass im Internet die Hürden zum Mitspielen sehr niedrig sind. Anbieter locken potenzielle Spieler mit niedrigschwelligen Angeboten und einer Fülle von Boni.

Niedrige Einstiegshürden

Der Einstieg ist so einfach wie möglich gestaltet, nach einer kurzen Registrierung kann sich der Spieler auch schon einloggen und losspielen. Viele Online-Anbieter bieten den Spielern zudem an, kostenlos, also ohne echten Geldeinsatz zu spielen. Um mitzumachen erhält der Spieler sogenanntes „Spielgeld“ und darf so auf den Geschmack kommen. Alleine vor dem Computer oder mit dem Smartphone in der Hand, fehlt zudem die soziale Kontrolle durch andere Spieler oder Mitarbeiter, was bei vielen Betroffenen dazu führt, finanzielle Grenzen zu überschreiten. In der Regel ist es nur eine Frage der Zeit, dass der Spieler echtes Geld einzahlt und weiterspielt.

Die zusätzliche Möglichkeit, auch mit Kryptowährungen spielen zu können, verzerrt die Realität der Spieler zusätzlich. Weil man ohnehin mit digitalem, nicht greifbarem Geld spielt, verschwimmen die Grenzen zwischen Realem Geld und virtueller Währung zusätzlich, sodass die Schwelle, echtes digitales Geld einzusetzen, erleichtert wird. Wer Kryptowährung hat, muss zudem nicht erst durch Registrierung von Konten oder Geldüberweisungen auf ein Spielekonto Umwege gehen, sondern kann auf einem direkteren Weg die digitale Währung einsetzen.

So dauert es nicht lange, bis aus dem Spielen aus Spaß ernst wird. Offizielle Zahlen über Personen, die sich durch das Spielen ein Schuldenberg angehäuft haben, sich bis über den Hals verschuldet haben, gibt es nicht. Schätzungen zufolge sind es Hunderttausende.

Sünde Glücksspiel

Wer einmal im Sog des Glücksspiels verfangen ist, kommt nicht mehr so schnell raus. Selbst mit professioneller Hilfe ist es sehr schwierig, davon wieder wegzukommen. In manchen Kulturkreisen kommt erschwerend hinzu, dass Glücksspiel ein Tabu-Thema ist, worüber man nicht redet. Insbesondere in muslimischen Kreisen ist für viele Betroffene die soziale Barriere zu groß, um sich zu seiner Sucht zu bekennen und Hilfe einzuholen.

Zwar ist Glücksspiel in vielen Kulturkreisen verpönt, doch im Islam gilt sie als Sünde. Es ist vergleichbar mit Alkoholverzehr oder Diebstahl. Selbst wenn der Spieler gewinnt, gilt das Geld als unrein (haram). So fällt es gerade jungen Leuten schwer, sich zu outen und sich zu ihrer Spielsucht zu bekennen.

Kaum kultursensible Beratung

Ebenfalls ein Problem ist das Fehlen kultursensibler Beratung in den Anlaufstellen. Ein muslimischer Jugendlicher hat aufgrund seines Glaubens einen ganz anderen Bezugs- und Berührungspunkt zu seinem Problem als ein Jugendlicher, dem religiöse Aspekte fremd sind.

Eine weitere Barriere ist das mangelnde Informationsangebot im deutschen Gesundheits- und Hilfesystem in ausländischer Sprache. Das zeigt sich auch auf der Internetseite der Landesstelle Glückspielsucht in Bayern. Das Informationsangebot in deutscher Sprache ist ungleich vielfältiger und detaillierter als die Informationen in türkischer oder arabischer Sprache. (bg) Panorama

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