
Flucht aus Armut
Venezuela zwischen Hyperinflation und Kryptowährung
Seit Jahren kämpft Venezuela gegen die Wirtschaftskrise, das Geld ist fast nichts mehr wert. Die Menschen setzen daher auf Kryptowährung oder verlassen das Land.
Sonntag, 23.01.2022, 0:59 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.02.2022, 9:16 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Venezuela befindet sich seit Jahren in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation: Die Krise hat das Land in extreme Schwierigkeiten gebracht – mittlerweile so weit, dass viele Menschen aufgrund der prekären Situation aus dem Land geflogen sind und weiter fliehen. Die Versuche des Staates, die Bevölkerung im Land zu halten, waren nicht sonderlich erfolgreich. Auch wirtschaftlich ist das Land eigene Wege gegangen: So wurde beispielsweise versucht, mit einer eigenen Kryptowährung für Stabilität zu sorgen.
Doch die digitale Währung Petro, die für Stabilität hätte sorgen sollen, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Der Bitcoin hingegen befindet sich weiter auf der Erfolgsspur – glaubt man Prognosen, könnte der Kryptomarkt weiterwachsen.
Hyperinflation
Venezuela befindet sich in einer Hyperinflation. Selbst die höchste venezolanische Banknote hat im Vergleich zum Euro kaum mehr wert. Geldautomaten funktionieren kaum mehr, die Geschäfte lehnen kleinere Banknoten ab – es ist kaum möglich, mit dem Bolivar, der Staatswährung Venezuelas, seine Einkäufe zu bezahlen.
Die Hyperinflation hat dazu geführt, dass die Wirtschaft zusammengebrochen ist. Die verzweifelten Bürger wenden sich daher zunehmend an den US Dollar, den Euro, den brasilianischen Real wie auch an den kolumbianischen Peso, damit sie Nahrungsmittel kaufen können. Viele Südamerikaner greifen auch auf Kryptowährungen zurück. Aber nicht nur das digitale Geld wird genutzt – viele Venezolaner verwenden auch zum Teil bizarre Kryptowährungen, um Essen oder auch sonstige Dinge, die man für den täglichen Bedarf braucht, zu kaufen. So befassen sich viele Venezolaner mit der Kryptowährung „Nano“. Dies deshalb, weil hier der Weg der Null-Gebühr-Methode eingeschlagen wurde.
Captchas gegen Hunger
Besonders merkwürdig ist der Umstand, dass der Nano, verglichen mit anderen digitalen Währungen, die durch das sogenannte „Mining“ oder auch über „Aidrop“-Distributionen ausgegeben werden, kostenlos weitergegeben wird, sofern die Nutzer „Captchas“ lösen. Dabei handelt es sich um die Überprüfung, ob es sich um einen Menschen oder Bot handelt.
Die Captchas werden auf „faucets“ gehostet. Hier handelt es sich um eine Webseite, auf der man kostenlose Token erhält, sofern der Vorgang erfolgreich abgeschlossen wurde. „Es gibt extrem viele Venezolaner, die natürlich daran arbeiten, die Captchas zu lösen, damit sie Nano verdienen. Dadurch ist eine Gemeinschaft entstanden, die sich gegenseitig unterstützt“, so Fabián Escalona, selbst Mitglied dieser Gemeinschaft, gegenüber der Asia Times. Diese Trends führen zu einer immer weiter ansteigenden Affinität gegenüber technischem Hintergrund digitaler Währungen. So werden der Bitcoin code oder andere Krypto-Slangs immer geläufiger.
Flucht aus Armut
„Führt man heute Transaktionen mit Kryptowährungen durch, so muss man immer eine geringe Gebühr bezahlen. Doch wenn man sich für Nano entscheidet, so ist die Transaktion nicht nur schnell, sondern auch gebührenfrei. Das muss auch so sein, wenn wir eine globale Währung wollen. Sie muss schnell und auch gebührenfrei zur Verfügung stehen. Warum? Weil es bestimmte Regionen auf dem Planeten gibt, in denen 20 Cent schon extrem viel Geld sind. In solchen Regionen wäre eine gebührenfreie Kryptowährung besonders wichtig“, so Escalona. Der Mindestlohn in Venezuela ist im internationalen Vergleich ebenfalls sehr niedrig.
In den vergangenen Jahren haben auch viele Rentner ihre monatliche Rente in Petro, der viel kritisierten Kryptowährung Venezuelas, ausbezahlt bekommen. Venezuela hat, wie auch andere Länder, auf Krypto-Geld gesetzt, um Wirtschaftssanktionen zu umgehen. Doch ist die Kryptowährung Petro fast wertlos. Die Stabilisierung des Landes durch Kryptowährung schlug somit fehl. Die Leidtragenden sind Menschen, die auf der Suche nach einem Leben in finanzieller Sicherheit aus dem Land fliehen. (dd)
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