WDR-Talk „Die letzte Instanz“

„Das diskriminierendste, das ich seit Langem im deutschen TV gesehen habe.“

Umstrittene Talkshow über rassistischen Sprachgebrauch: Der Zentralrat der Sinti und Roma wirft dem Sender vor, mit diskriminierenden Aussagen Quote machen zu wollen und fordert Platz in Rundfunkräten. Teilnehmer des Talks entschuldigen sich. Der WDR räumt Fehler ein.

Eine Wiederholung der TV-Talk-Sendung „Die letzte Instanz„des Westdeutschen Rundfunks (WDR) hat empörte Reaktionen ausgelöst. Nach der Ausstrahlung am Freitagabend brach zunächst auf Twitter ein Sturm der Entrüstung los. Am Montag äußerte dann auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma scharfe Kritik. Mehrere Teilnehmer des Talks entschuldigten sich. Auch der WDR räumte ein, dass er Fehler gemacht habe.

In der Unterhaltungs-Talkrunde vom 29. November 2020 mit Moderator Steffen Hallaschka hatten die Gäste Micky Beisenherz, Thomas Gottschalk, Janine Kunze und Jürgen Milski aktuelle gesellschaftliche Themen diskutiert, darunter auch rassistischen Sprachgebrauch und die Frage „Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?“ Während die erste Ausstrahlung ohne größeres öffentliches Echo geblieben war, verursachte die Wiederholung viel Wirbel.

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Rose fordert Platz in Rundfunkräten

Romani Rose, Zentralratsvorsitzender Deutscher Sinti und Roma, kritisierte am Montag: „Diese Sendung erweckt den Eindruck, sie wolle mit Antiziganismus und dümmlichen Auftritten Quote machen.“ Mit Fassungslosigkeit habe er registriert, wie „sich vier Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft anmaßen, darüber zu urteilen, ob eine von der Minderheit als beleidigend abgelehnte Fremdbezeichnung im deutschen Sprachgebrauch ihre Berechtigung habe oder nicht“. Die Meinung der Betroffenen sei dabei nicht angehört worden.

Es sei überfällig, dass Vertreter der Sinti und Roma in den Rundfunkräten und der Medienaufsicht endlich einen festen Platz erhielten, sagte Rose weiter. So könnten sie der Normalität des Antiziganismus entgegentreten.

Beifall aus dem „Publikum“

Was war passiert? Schauspielerin Kunze sagte in der Sendung zur Debatte über die „Z-sauce“ – „Knorr“ hat 2020 seine Sauce unbenannt – man „problematisiere und terrorisiere“ da einfach zu viel. Das sei nämlich das eigentliche Problem. „Bei Z…-schnitzel hab ich doch nicht an Diskriminierung gedacht.“ Den Einwand und Verweis von Moderator Steffen Hallaschka auf ein Statement des Zentralrats der Sinti und Roma, wonach der Begriff diskriminierend ist, wiegelt Kunze ab. Da hätten wohl „zwei, drei Leute nichts zu tun“ gehabt. Sie finde das „nervig“, denn: „Die Entstehungsgeschichte vieler Worte ist ja keine Negative.“

Für ihre Wortbeiträge erntet Kunze Beifall von den Zuschauern im Studio. Coronabedingt saßen dort ausschließlich Mitarbeiter des WDR.

Reaktionen im Netz

Bereits am Samstag hatte die Autorin Jasmina Kuhnke getwittert: „Das hier ist das mit Abstand ignoranteste, arroganteste und diskriminierendste was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe! Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist sich mit Rassismus-Kritik auseinanderzusetzen.“

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes erklärte am Sonntag, „die unsäglichen Äußerungen“ in der Sendung zeigten noch einmal, warum es abwegig sei, Rassismus komplett ohne Menschen mit Rassismuserfahrung zu diskutieren. „Viele hätten gehofft, nach den Debatten des letzten Jahres weiter zu sein, nicht nur in der Zusammensetzung der Runde.“

WDR entschuldigt sich

Der WDR entschuldigte sich bereits am Sonntag mit Bezug auf den Tweet Kuhnkes: „Bei so einem sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mitdiskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und/oder direkt betroffen sind.“ In einem Interview auf der Homepage des Senders vom Montag zeigte WDR-Unterhaltungschefin Karin Kuhn Verständnis für die Kritik. Die Folge des Talks sei misslungen: „Das hätten wir anders und besser machen können und müssen.“

Auch Teilnehmer äußerten sich reumütig. So erklärte Schauspielerin Kunze auf Instagram: „Ich werde zukünftig meine Wortwahl überdenken, denn es war falsch, dass ich mir angemaßt habe, als privilegierte weiße Frau über ein Thema zu sprechen, welches ich in seiner Konsequenz und in seinen Ausmaßen nicht beurteilen kann!“

Beisenherz: Keine gute Rolle

Noch deutlicher wurde Comedy-Autor Micky Beisenherz: „Eine Sendung, in der vier Kartoffeln sitzen und mittels Karten über Rassismus abstimmen, hat ein Problem“, twitterte er. Seine Rolle in der Show sei „keine gute“ gewesen. „Ich habe die Kritik aufmerksam gelesen und finde sie auch berechtigt. Ganz klar mein Fehler. Sorry.“ In seinem Podcast „Apokalypse und Filterkaffee“ sprach er im Zusammenhang mit der Sendung von „Arroganz und Hybris“.

Die Diskussion über rassistischen Sprachgebrauch dauerte in der Sendung vom 29. November, in der drei weitere Themen diskutiert wurden, gut 16 Minuten. In der WDR-Mediathek ist die Sendung weiter abrufbar – „alleine aus Transparenzgründen“, wie Unterhaltungschefin Kuhn sagte. Allerdings habe man sie mit einem Text versehen, der die Sendung einordne. (epd/mig)