Einbruch bei Visa-Zahlen

Ehegattennachzug um ein Drittel zurückgegangen

Die Zahl der erteilten Visa zum Ehegattennachzug ist im laufenden Jahr um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Linke-Politikerin Gökay Akbulut sieht dringenden Handlungsbedarf.

2019 wurden 61.068 Visa zum Ehegattennachzug erteilt, bis zum 30. September 2020 waren es nur noch 29.866. Auf Jahr hochgerechnet bedeutet das einen Rückgang um etwa 21.000 Visa. Das bedeutet einen Rückgang von etwa einem Drittel (35 Prozent). Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervor.

Grund für den Rückgang dürften coronabedingte Verzögerungen bei der Visumsbearbeitung sein. Viele Botschaften haben wegen der Pandemie geschlossen oder haben eingeschränkte Öffnungszeiten und Bearbeitungskapazitäten.

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Die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Gökay Akbulut, ist der Rückgang jedoch zu dramatisch. „Verzögerungen bei der Visumsbearbeitung infolge der Corona-Pandemie sind nachvollziehbar. Ich befürchte aber, dass auch die Forderung von Sprachnachweisen im Ausland und eine diesbezüglich unzureichende Härtefallprüfung maßgebliche Gründe für diesen Rückgang sind. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, so Akbulut gegenüber MiGAZIN. Schließlich gehe es um die Gewährleistung des Rechts auf Familienleben – „ein Menschenrecht!“

Härtefallregelung wird kaum angewandt

Akbulut befürchtet zudem, dass die Forderung nach Deutsch-Sprachnachweisen im Ausland als Bedingung des Ehegattennachzugs ein maßgeblicher Grund für den Rückgang des Ehegattennachzugs ist. Dieser Nachweis sei für viele Menschen an sich schon eine hohe Hürde. Dies gelte erst recht angesichts der zusätzlichen Beschränkungen des Sprachkursangebots und der Bewegungsfreiheit infolge der Corona-Pandemie. In vielen Ländern gebe es derzeit gar keine Möglichkeit, den von den Botschaften geforderten Sprachtest zu machen. Ende Oktober 2020 betraf dies nach Angaben der Bundesregierung 18 Länder.

Das Regelwerk sieht eigentlich vor, dass von Sprachnachweisen abgesehen wird, wenn der Spracherwerb oder der Sprachnachweis unzumutbar oder unmöglich ist. Von der entsprechenden Härtefallregelung wird in der Praxis jedoch häufig nicht oder nur sehr restriktiv Gebrauch gemacht.

Akbulut: „Das ist nicht akzteptabel“

„Bislang weigert sich die Bundesregierung, in diesen Ländern grundsätzlich vom Sprachnachweis abzusehen. Stattdessen wird auf individuelle Härtefallprüfungen verwiesen, über die die Betroffenen von den Botschaften jedoch nicht oder nur unzureichend oder sogar falsch informiert werden. Das ist nicht akzeptabel“, so Akbulut. Sie fordert das Auswärtige Amt auf, schnell zu handeln, „um das Menschenrecht auf Familienleben in der Praxis auch in Zeiten der Pandemie zu gewährleisten.“

Von den im laufenden Jahr erteilten Visa wurden die meisten in der Türkei ausgestellt (3.598). Es folgen Kosovo (2.611), Indien (2.378), Bosnien (1.567), Libanon (1.399) und Russland mit 1.278 Visa. (mig)