Clan-Kriminalität

„Goldene Kartoffel“ geht an Spiegel TV für Clan-Berichte

Für die Berichterstattung über Clan-Kriminalität erhält Spiegel TV stellvertretend für viele Medien den Negativ-Preis „Goldene Kartoffel“. Die Berichte sind Neuen Deutschen Medienmachern zufolge rassistisch, einseitig und pauschalisierend.

Die „Goldene Kartoffel“ der Neuen Deutschen Medienmacher (NDM) geht in diesem Jahr an Spiegel TV für eine verzerrte Berichterstattung über „Clan-Kriminalität“. Die Berichterstattung über organisierte Kriminalität in deutschen Medien und insbesondere bei Spiegel TV sei „unterm Strich verzerrt, stigmatisierend und rassistisch“, kritisierte die Journalistenvereinigung am Mittwoch in Berlin. Der fast ausschließliche Fokus auf Clans erwecke den Anschein, mafiöse Vereinigungen in Deutschland seien vornehmlich arabische und Roma-Familien, hieß es.

Das Bundeskriminalamt ordne aber nur etwa acht Prozent der Verfahren zur Organisierten Kriminalität der sogenannten Clan-Kriminalität zu. Andere Formen würden in den Medien jedoch deutlich seltener thematisiert. Auch würden in der Berichterstattung Aussagen von Polizisten unkritisch übernommen und die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden distanzlos begleitet. Der Sinn aufwendiger Razzien in Shisha-Bars – wo oft nur ein paar Kilogramm unversteuerter Tabak gefunden werde – werde beispielsweise fast nie hinterfragt.

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Jury-Begründung

Verzerrt: Der fast ausschließliche Fokus auf „Clans“ erweckt den Anschein, mafiöse Vereinigungen in Deutschland seien vornehmlich arabische Familien oder Rom*nja. Das BKA ordnet aber nur etwa acht Prozent der Verfahren zur Organisierten Kriminalität der so genannten „Clan-Kriminalität“ zu. Über andere Formen der Organisierten Kriminalität berichten viele Medien jedoch deutlich seltener.

Distanzlos: Behauptungen und Methoden der Polizei und anderer Behörden werden nicht eingeordnet oder sogar als unbestrittene Fakten übernommen. Der Sinn aufwändiger Razzien in Shisha-Bars ohne nennenswerte Ergebnisse wird kaum hinterfragt.

Rassistisch: Rassismus kommt in diesen Reportagen meist nur in einer Form vor: als unbegründeter Vorwurf. Die Tatsache, dass Rom*nja und Menschen arabischer Herkunft Rassismus ausgesetzt sind, wird als bloße Schutzbehauptung abgetan, die nur dazu diene, von kriminellem Verhalten abzulenken. Diese Einseitigkeit ist selbst rassistisch.

Stigmatisierend: Alle Mitglieder einer Familie, die einen verdächtigen Namen tragen, werden in Berichten als Kriminelle abgestempelt. „Shisha-Bars“ werden als verdächtige Orte dargestellt, an denen sich Kriminelle treffen. Beliebige migrantische Restaurants und Geschäfte werden abgefilmt und mit bedrohlichen Kommentaren über „Parallelgesellschaften“ unterlegt. Obwohl die Gewerbetreibenden keinen Bezug zu Kriminalität haben.

Einseitig: Die immer gleichen Experten geben den Tenor vor; Zwischentöne gibt es kaum.

Undifferenziert: Ob Auto-Verfolgungsjagden, Tumulte im Krankenhaus, unversteuerter Tabak in Shisha-Bars oder Parken in zweiter Reihe: Unrühmliches Verhalten arabisch-stämmiger Menschen wird oft reflexhaft der „Clan-Kriminalität“ zugeordnet, ohne dass ein Zusammenhang belegt und begründet wird.

Realitätsfern: Viele „Clan“-Berichte zeichnen ein überbordendes Bedrohungsszenario: Deutschland versinkt in Kriminalität, „Clans“ beherrschen ganze Städte; ein schwacher Staat ist dieser Entwicklung hilflos ausgeliefert und die Bevölkerung lebt in Angst. Mit der Realität hat das nichts zu tun.

Pauschalisierend: Der Begriff „Clan“ taucht in deutschen Medien fast ausschließlich in Zusammenhang mit arabischen Familien oder mit Rom*nja auf – in Verbindung mit Kriminalität. Andere Familien, die auch geschäftlich miteinander verbunden sind, werden dagegen selten mit diesem Begriff belegt: vom Aldi-Clan, dem Bertelsmann-Clan oder dem Hohenzollern-Clan liest und hört man kaum.

Spiegel TV stellvertretend für viele andere Medien

Spiegel TV gebühre stellvertretend für viele andere Medien der Preis, weil die Beiträge stilprägend seien für das Genre der reißerischen „Clan-Reportage“, hieß es. Nominierte seien aber auch „Bild“, RTL, ntv, RBB, das ZDF, die „Neue Zürcher Zeitung“, der „Tagesspiegel“, die „Berliner Zeitung“ und die „Welt“.

Die Neuen deutschen Medienmacher setzen sich nach eigenen Angaben für mehr Vielfalt in den Medien ein. Den Negativpreis „Goldene Kartoffel“ verleihen sie seit 2018 für „besonders unterirdische Berichterstattung“. (epd/mig)