Amnesty unzufrieden

Kabinett beschließt Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus

Das Bundeskabinett hat dem Maßnahmenplan gegen Rechtsextremismus zugestimmt. Das Paket enthält insgesamt 89 Punkte – oft vage formuliert. Amnesty International vermisst Maßnahmen gegen strukturellen Rassismus in Behörden.

Der in der vergangenen Woche vom Kabinettsausschuss Rechtsextremismus vorgelegte Maßnahmenplan hat nun auch die Zustimmung des kompletten Bundeskabinetts bekommen. Wie Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch in Berlin mitteilte, beschloss das Kabinett den Katalog, der für mehr Aufklärung, Prävention und durch die Schärfung von Straftatbeständen auch für mehr Konsequenzen bei rassistischen Übergriffen sorgen soll. „Wir stärken unsere wehrhafte Demokratie“, erklärte Lambrecht.

Das Paket enthält insgesamt 89 Punkte. Ein Teil davon ist in dieser Wahlperiode bereits umgesetzt worden oder kurz vor der Verabschiedung. Ziel sei es, ein stärkeres Bewusstsein für Rassismus zu schaffen, mehr Prävention zu leisten, Betroffene von Diskriminierung stärker zu schützen und für mehr Anerkennung einer pluralen Gesellschaft zu sorgen, heißt es im Papier. „Wir müssen uns endlich konsequent denjenigen zuwenden, die von Rechtsextremisten und Demokratiefeinden tagtäglich beleidigt, bedroht und angegriffen werden“, sagte der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke.

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Demokratiefördergesetz, Studie, „Rasse“

Das Paket enthält Maßnahmen, um die lange gerungen wurde, etwa die Forderung von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nach einem Demokratiefördergesetz, das Anti-Extremismus-Projekten dauerhafte Finanzierung sichern soll. Inwieweit es aber in Giffeys Sinne kommt, muss noch im Detail mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besprochen werden. Das Paket sieht außerdem eine Studie zum Alltagsrassismus in Zivilgesellschaft, Unternehmen und öffentlichen Institutionen vor sowie ein Forschungsprojekt zur Untersuchung des Polizeialltags.

Geplant ist auch, den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zu ersetzen und neue Straftatbestände zu schaffen für die Veröffentlichung sogenannter Feindeslisten und Beleidigungen, die hetzenden Charakter haben, aber keine Volksverhetzung im eigentlichen Sinn sind. Vorgesehen ist außerdem in vielen Bereichen ein Ausbau von Bildung und Prävention.

Amnesty: Maßnahmenpaket nicht ausreichend

Amnesty International sieht im Maßnahmenpaket gute Ansätze für die Bekämpfung von Rassismus. Die Vorschläge seien jedoch zu vage und klammerten die Rolle der Sicherheitsbehörden zu sehr aus. „Viele der Ansätze fanden sich so oder ähnlich auch schon in den Abschlussempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages von 2013 und im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus der Bundesregierung von 2017. Sie wurden aber nie vollständig umgesetzt“, sagt Maria Scharlau, Expertin für Anti-Rassismus bei Amnesty International in Deutschland.

Die Bundesregierung tue sich weiterhin schwer damit, Rassismus als strukturelles Problem anzuerkennen. Das Ermittlungsversagen bei den NSU-Morden, die Drohbriefe des NSU 2.0 und die Berichte über rechtsextreme Netzwerke und Chatgruppen innerhalb verschiedener Polizeibehörden zeigten: „Die politisch Verantwortlichen müssen zuerst bei den eigenen Sicherheitsbehörden ansetzen. Wir brauchen unabhängige Beschwerde- und Untersuchungsmechanismen für die Polizei sowie verbindliche Antirassismus-Trainings“ kritisiert Scharlau weiter. (epd/mig)