Keine Polizei-Studie

Kabinettsausschuss beschließt Paket gegen Rechtsextremismus

89 Punkte sieht der Maßnahmenkatalog des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus vor, darunter einen Ausbau von Bildung und Prävention. Mehr als eine Milliarde Euro will sich die Bundesregierung den Kampf gegen Rassismus bis 2024 kosten lassen. Eine Rassismus-Polizei-Studie soll es nicht geben.

Mehr Aufklärung, mehr Prävention und neue Straftatbestände: Der nach den rassistischen Morden in Hanau gegründete Kabinettsausschuss hat einen Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus und menschenverachtende Diskriminierung vorgelegt. Insgesamt 89 Punkte sieht der Plan vor, darunter auch ein paar bereits umgesetzte oder angeschobene Vorhaben. Ziel sei es, ein stärkeres Bewusstsein für Rassismus zu schaffen, mehr Prävention zu leisten, Betroffene von Diskriminierung stärker zu schützen und für mehr Anerkennung einer pluralen Gesellschaft zu sorgen, heißt es im Papier. In der nächsten Woche soll das Bundeskabinett den Plan des Ausschusses beschließen.

„Rassismus zerfrisst das Fundament unserer Demokratie“, erklärte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), in Berlin. Sie hatte sich für das Gremium eingesetzt und konnte für ihren Bereich Maßnahmen durchsetzen, darunter ein Beratungszentrum mit einer zentralen Anlaufstelle für Betroffene rassistischer Diskriminierung.

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Das Paket enthält auch Maßnahmen, um die lange gerungen wurde, etwa die Forderung von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nach einem Demokratiefördergesetz, das Anti-Extremismus-Projekten dauerhafte Finanzierung sichern soll. Der Kabinettsausschuss empfiehlt nun eine „Verbesserung der rechtlichen und haushalterischen Rahmenbedingungen“ für die Förderung des Engagements für Demokratie.

Keine Polizei-Rassimsus-Studie

Details eines Gesetzes müssen Giffey und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) allerdings noch verhandeln. Aus Sicht des Innenministeriums soll es dabei auch um die Zusammenarbeit von Projekten mit Sicherheitsbehörden gehen. Es werde sicher kein Gesetz, das nur zum Zweck hat, die Förderung zu regeln, sagte ein Sprecher.

Das Paket sieht außerdem eine Studie zum Alltagsrassismus in Zivilgesellschaft, Unternehmen und öffentlichen Institutionen vor sowie ein Forschungsprojekt zur Untersuchung des Polizeialltags. Damit hat sich im Streit um eine zunächst geforderte Studie über Rassismus in den Reihen der Polizei Seehofers Kompromiss durchgesetzt.

„Rasse“ soll raus aus Grundgesetz

Geplant ist auch, den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zu ersetzen und neue Straftatbestände zu schaffen für die Veröffentlichung sogenannter Feindeslisten und Beleidigungen, die hetzenden Charakter haben, aber keine Volksverhetzung im eigentlichen Sinn sind. Vorgesehen ist außerdem in vielen Bereichen ein Ausbau von Bildung und Prävention.

Von 2021 bis 2024 soll für alle Maßnahmen den Angaben zufolge insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden. Am Donnerstag ist die Bereinigungssitzung zum Haushalt 2021. Der Kabinettsausschuss bittet die Haushälter dabei um nochmals 150 Millionen Euro. „Es ist nicht weniger als ein Meilenstein im Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus in Deutschland, den wir heute erreichen“, erklärte Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz.

Grüne: Paradigmenwechsel bleibt aus

Kritik erntet das Papier von den Grünen. „Der dringend notwendige Paradigmenwechsel bleibt aus. Die Bundesregierung legt zwar eine lange Liste einzelner Maßnahmen vor, agiert aber ansonsten nach dem Motto ‚Weiter so‘. Strukturelle Reformen – Fehlanzeige“, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter. Stattdessen liege der Schwerpunkt auf Einzelprojektförderung und Kampagnen. Eine langfristige, wirkungsvolle und antirassistische Politik erreiche man aber nur über strukturelle Maßnahmen und einen kohärenten, gesamtstaatlichen Ansatz. Insgesamt blieben die Ergebnisse des Kabinettsausschusses hinter den Erwartungen zurück.

Filiz Polat, Grünen-Sprecherin für Integrationspolitik bemängelt das Fehlen eines Demokratiefördergesetzes auf Bundesebene. „Die ständige Projektförderung auf Zeit muss ein Ende haben. Ob sich die Zivilgesellschaft diesmal auf die vage Ankündigungen der SPD verlassen kann, steht in den Sternen“, so Polat. Für einen effektiven Diskriminierungsschutz brauche es neben der längst überfälligen Reform des Antidiskriminierungsgesetzes auch die finanzielle und personelle Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Amadeu-Antonio-Stiftung: Stellenweise „vage“

Der Zentralrat der Juden erklärte, die Bundesregierung mache mit den Vorschlägen deutlich, dass es ihr mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ernst sei. Auch die gegen Rechtsextremismus engagierte Amadeu-Antonio-Stiftung begrüßte das Paket. Geschäftsführer Timo Reinfrank bezeichnete es aber durch das Offenlassen vieler Details auch an manchen Stellen als „vage“. Zudem sei schon jetzt klar, dass manche Vorhaben Hausaufgaben für die nächste Bundesregierung blieben.

Dazu zählt auch die Berufung eines Anti-Rassismus-Beauftragten, auf den sich Seehofer, Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geeinigt hatten – allerdings erst für die nächste Bundesregierung. Das Amt hat deshalb auch keinen Eingang in den elfseitigen Maßnahmenplan gefunden. Die Türkische Gemeinde Deutschland bemängelt außerdem, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes an keiner Stelle vorkommt, ebenso wenig eine gesetzliche Grundlage für Diskriminierungsschutz und gleichberechtigte Teilhabechancen.“ (epd/mig)