Armutszeugnis

Nichts hat sich verändert in diesem Land

Auf die Frage, was sich nach Mölln in diesem Land verändert hätte, antwortet Faruk Arslan: „Nichts hat sich verändert“. Diese traurige Feststellung zu hören ist ein Armutszeugnis für dieses Land.

Das wichtigste Gebot des jüdischen Laubhüttenfestes Sukkot ist es unter der Laubhütte (Sukkah) gemeinsam mit anderen Menschen zu sitzen, zu speisen und natürlich zu sprechen. Das Fest findet jährlich zur Herbstzeit statt, sodass es oft regnerisch und kalt ist. Die Nähe zum Mitmenschen und das Beisammensein wärmen einen. Erinnert werden soll an die vierzigjährige Hausung der Israeliten beim Auszug aus Ägypten in der Wüste.

In diesem Jahr saß ich einer Sukkah am Rande des Festivals of Resilience unter dem Berliner Gleisdreieck mit Faruk Arslan. Er verlor in Mölln seine Frau, Tochter und Nichte. Durch ein Wunder überlebte sein Sohn Ibrahim, weil er in nasse Tücher gewickelt worden ist. Die beiden Nazis, die diese schreckliche Tat im Jahr 1992 vollbrachten, sind heute auf freiem Fuß.

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Herr Arslan hielt eine bewegende Rede auf der Gedenkveranstaltung von Überlebenden und Opfern der Anschläge von Halle, Hanau und Mölln beim Festival of Resilience, umso rührender war es, mit ihm unmittelbar danach gemeinsam unter einer Sukkah zu sitzen. Ein Jude und ein Türke sitzen und reden über ihre Heimat Deutschland.

Auf die Frage, was sich nach Mölln in diesem Land verändert hätte, antwortete Herr Arslan mild aber entschieden: „Nichts hat sich verändert“. Diese traurige Feststellung aus dem Mund eines Mannes zu hören, der so viel verloren hat, ist ein Armutszeugnis für dieses Land.

„Herr Arslan möchte weder Rache noch verspürt er Hass. Es geht um Gerechtigkeit – Gerechtigkeit für die Opfer, die Überlebenden und die Angehörigen.“

Er berichtete im Gespräch von seinem Einsatz für die Anerkennung der Opfer, über sein Gefühl in Mölln zu sein und die Solidarität, die ihm glücklicherweise widerfahren ist. Herr Arslan scheint nicht aufzugeben und zu resignieren. Er glaubt auch daran, dass die Mehrheit der Deutschen gut sind und es viele anständige Menschen gibt. Dennoch werfen die NSU-Morde und der Umgang mit Familienangehörigen einen sehr großen Schatten der Enttäuschung.

Herr Arslan möchte weder Rache noch verspürt er Hass. Es geht um Gerechtigkeit – Gerechtigkeit für die Opfer, die Überlebenden und die Angehörigen. Respekt seitens des deutschen Staates gegenüber diesen Menschen wäre ein kleiner Anfang.