Welthunger-Index 2020

Zu wenig Fortschritte bei Hungerbekämpfung

Corona bedroht Fortschritte im Kampf gegen Hunger und Armut in der Welt – eine der häufigsten Fluchtursachen. Doch auch davor schon waren die internationalen Ziele in Gefahr. Gesundheits-, Wirtschafts- und Umweltkrisen in mehreren Ländern wirken sich aus.

Die Welthungerhilfe hat vor Rückschritten im Kampf des Hungers weltweit gewarnt. „Wenn wir bei der Hungerbekämpfung weiter so machen wie bisher, werden es 37 Länder bis 2030 nicht schaffen, ein niedriges Hungerniveau zu erreichen“, sagte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme, am Montag in Berlin bei der Vorstellung des Welthunger-Index 2020. Verschlimmert werde die Lage noch durch Klimawandel, Armut, bewaffnete Konflikte und Vertreibungen. Hinzu gekommen sei die Corona-Pandemie, die wie ein Brandbeschleuniger bei Hunger und Armut wirke, sagte Thieme.

Die Vereinten Nationen hatten sich 2015 einstimmig im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung unter anderem darauf verständigt, den Hunger weltweit bis 2030 auszumerzen. Die Zahl der Hungernden ist laut UN in den vergangenen fünf Jahren wieder gestiegen, weltweit auf 690 Millionen Menschen vor der Corona-Krise. Bereits vor der Covid-19-Pandemie litten dem Bericht zufolge in mehr als 50 Ländern Menschen unter Hunger und Unterernährung.

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Laut aktuellem Welthunger-Index, der die Ernährungslage in 107 Ländern berechnet, weisen derzeit 14 Länder höhere Hungerwerte auf als noch 2012. Dazu gehören unter anderem Kenia, Madagaskar, Venezuela und Mosambik. In den Welthunger-Index, der seit 2006 jährlich vorgestellt wird, fließen unter anderem Daten zur Kindersterblichkeit, Unterernährung und Wachstumsverzögerungen bei Kindern unter fünf Jahren ein.

Thieme fordert faire Preise

Thieme nannte als Voraussetzung zur Bekämpfung des Hungers veränderte Ernährungssysteme. Diese müssten nachhaltiger, gerechter und widerstandsfähiger gemacht werden. Neben fairem Einkommen für die Produzenten vor Ort müssten Menschenrechte und Umweltschutz entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingehalten werden. Im neuen Welthunger-Index wird unter anderem auf die zerstörerische Wirkung der intensiven Landwirtschaft und Massentierhaltung auf Klima, Böden und Artenvielfalt hingewiesen.

Info: Der seit 2006 jährlich veröffentlichte Welthunger-Index (WHI) dient der Erfassung der Hungersituation auf globaler, regionaler und nationaler Ebene. Die WHI-Werte für die einzelnen Länder basieren im Wesentlichen auf Daten zur Unterernährung in der Bevölkerung sowie zu Wachstumsverzögerungen, Auszehrungserscheinungen mit Blick auf das Verhältnis Gewicht zu Größe als Beleg für akute Unterernährung und zur Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren. Der WHI-Wert bildet auf einer Skala die jeweilige Hungerlage von null Punkten (gar kein Hunger) bis 100 Punkten ab. Dabei wird unterschieden zwischen niedrig (bis 9,9 Punkte), mäßig (10 bis 19,9 Punkte), ernst (20 bis 34,9 Punkte), sehr ernst (35 bis 49,9 Punkte) und gravierend (50 Punkte und mehr).

Schon vor Corona sei die Hungersituation insbesondere in Afrika südlich der Sahara und Südasien alarmierend gewesen, sagte Thieme: „Die Menschen leiden unter einer Vielzahl von Krisen durch Kriege, Dürren, Überschwemmungen, Heuschreckenplagen.“ Dabei sind die jüngsten Naturkatastrophen noch nicht in den aktuellen Bericht eingeflossen.

Große Herausforderungen

Als positiv bezeichnete der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, dass das weltweite Hungerniveau insgesamt auf der 100-Punkte-Skala von „niedrig“ (bis zu 9,9 Punkte) bis „gravierend“ (ab 50 Punkte) nur bei „mäßig“ (10-19,9 Punkte) stehe. Dennoch gebe es in einzelnen Weltregionen große Herausforderungen. Auch Mogge verwies auf Afrika südlich der Sahara und Südasien mit Hungerwerten von 27,8 beziehungsweise 26 Punkten und damit in der Kategorie „ernst“ (20-34,9 Punkte).

Sogar „sehr ernst“ (35-49,9 Punkte) sei die Lage im Tschad, in Osttimor und auf Madagaskar. In acht weiteren Länder – Burundi, Zentralafrikanische Republik, Komoren, Demokratische Republik Kongo, Somalia, Südsudan, Syrien und Jemen – wird die Lage vorläufig als „sehr ernst“ bewertet. In 46 Ländern, in denen der Hunger als „mäßig“ oder schlimmer eingeschätzt wird, sanken die Indexwerte seit 2012, hieß es weiter. (epd/mig)