Italien

Zwei Dutzend Flüchtlingsboote in Lampedusa in zwei Tagen

Binnen 48 Stunden haben 652 Geflüchtete Lampedusa erreicht. Derweil setzt Italien weiter Rettungsschiffe fest. Seenotretter protestieren gegen „politische Entscheidungen“ und vorgeschobene Gründe.

Innerhalb von 48 Stunden haben rund zwei Dutzend Flüchtlingsboote Lampedusa erreicht. Insgesamt 652 Menschen, darunter sechs Frauen und vier Minderjährige, wurden nach Angaben des italienischen Rundfunks vom Sonntag nach ihrer Ankunft in dem Aufnahmezentrum der Insel untergebracht. Die Einrichtung verfügt über 200 Plätze. Nach Corona-Tests sollten sie demnach auf zwei Quarantäne-Schiffe gebracht werden, von denen eines bereits vor der italienischen Ferieninsel lag.

Sieben weitere Flüchtlingsboote erreichten den Angaben nach innerhalb etwa einer Woche die Küste von Kalabrien auf dem italienischen Festland. Mit einem Segelboot seien zuletzt 57 Flüchtlinge aus dem Irak und dem Iran nach Roccella Jonica gelangt.

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Festsetzung von Seenotretter-Schiffen

Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen in Italien beschwichtigte Innenministerin Luciana Lamorgese Ängste vor einer Einschleppung des Coronavirus durch Flüchtlinge. Von den 56.000 derzeit in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebrachten Migranten seien rund 1.200 positiv getestet worden, sagte sie dem Sender Radio 24. Der Anteil der in Italien insgesamt positiv Getesteten lag zuletzt mit rund vier Prozent doppelt so hoch. Die Zahlen seien im Vergleich zum gesamten italienischen Territorium nicht besorgniserregend. „Es ist nicht so, dass Migranten das Coronavirus einschleppten.“

Die Ministerin verteidigte überdies die Blockade von Seenotrettungsschiffen wie zuletzt der „Alan Kurdi“. „Jeder, der auf dem Meer Seenotrettungen leistet, auch Nichtregierungsorganisationen, muss sich an die Regeln halten“, sagte Lamorgese der katholischen Tageszeitung „Avvenire“. Die italienischen Behörden führen regelmäßig technische– und Sicherheitskontrollen an Bord der Seenotrettungsschiffe durch und hindern sie daraufhin am Auslaufen.

Gerettete Passagiere

Die Festsetzung der „Alan Kurdi“ wegen einer mangelnden Anzahl an Rettungsmitteln an Bord hatte die Organisation Sea-Eye, die das Schiff betreibt, am Wochenende als „politisch motiviert“ verurteilt. In der Festsetzungsbegründung bemängelt die Küstenwache den Seenotrettern zufolge, dass mehr Personen an Bord waren, als zugelassen. Italien betrachte damit Gerettete nicht mehr als aus Seenot gerettete Personen, sondern als Passagiere, kritisiert Sea-Eye die Maßnahme.

Am Freitagabend hat Sea-Eye das Auswärtige Amt und den Bundesaußenminister formell um Unterstützung gebeten. Durch die Festsetzung deutscher Seenotrettungsschiffe würden nicht allein die Rechte deutscher Hilfsorganisationen offen infrage gestellt, sondern auch die Rechte des Flaggenstaates. „Wir werden aus politischen Gründen festgehalten. Deshalb bitten wir das Auswärtige Amt um diplomatische Lösungsversuche. Es geht schließlich um das Überleben von Menschen“, so Sea-Eye.

675 Tote in diesem Jahr

Laut IOM ertranken seit Jahresbeginn 675 Menschen im Mittelmeer. Die „Alan Kurdi“ konnte in diesem Jahr mehr als 300 Menschenleben retten. „Wir hätten viel mehr Menschen retten können. Ohne die Blockaden der Rettungsschiffe wäre die Zahl der Opfer ganz sicher geringer“, beklagen die Seenotretter.

Zuletzt hat Italien die unter Ex-Innenminister Matteo Salvini eingeführten Strafen in Millionenhöhe für private Seenotretter im Mittelmeer abgeschafft. Seine Nachfolgerin Lamorgese gilt als gemäßigt, verzögert jedoch nach wie vor die Genehmigungen für Schiffe mit geretteten Flüchtlingen, italienische Häfen anzulaufen. (epd/mig)