Mahnung

Sorgen Geflüchteter wegen Fremdenfeindlichkeit in Deutschland wachsen

Einer Studie zufolge sorgen sich Geflüchtete in Deutschland zunehmend wegen Fremdenfeindlichkeit. Das ist eine erste Mahnung, ein weiterer Anstieg muss verhindert werden.

Geflüchtete in Deutschland machen sich zunehmend Sorgen wegen Fremdenfeindlichkeit. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, dass 2018 rund 38 Prozent der Geflüchteten besorgt waren – ein Plus von fünf Prozentpunkten gegenüber 2016. Ein Blick in die Zukunft lässt vermuten, dass die Besorgnis weiter zunehmen dürfte: Dazu tragen die jüngsten rassistisch motivierten Anschläge wie in Hanau und in Halle bei.

Da derartige psychologischen Belastungen ein Hemmnis für gelungene gesellschaftliche Teilhabe sind, muss diesen Sorgen begegnet werden. Auf den ersten Blick erscheint es naheliegend, dass Geflüchtete individuell vor Fremdenfeindlichkeit – also vor den Tätern in der hiesigen Gesellschaft – geschützt werden müssen. Jedoch wird dies nur bedingt helfen.

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Geflüchtete äußern nur selten direkte Diskriminierungserfahrungen

Befragungsdaten zu Geflüchteten zeigen, dass persönliche Erfahrungen von Diskriminierung recht selten sind. So äußerte 2018 nicht einmal jeder Zehnte, dass sie oder er sich häufig aufgrund der Herkunft diskriminiert fühlte – die Hälfte hatte noch nie derartige Erfahrungen gemacht. Zwar sind zehn Prozent nicht zu verharmlosen.

Um jedoch den Anstieg der Sorgen zu erklären, scheint ein Blick auf die direkten Erfahrungen nur einen Teil der Geschichte zu erzählen. Auch zeigen Umfragen, dass sich Geflüchtete in Deutschland grundsätzlich willkommen fühlen. Welcher Aspekt fehlt also?

Fremdenfeindliche Übergriffe sorgen für ein Klima der Angst

Es ist naheliegend, dass die Vielzahl an fremdenfeindlichen und rassistischen Übergriffen der vergangenen Jahre ein Klima der Angst erzeugt haben: das Bundeskriminalamt zählte 2015 und 2016 rund 1.000 Straftaten gegen Asylunterkünfte. In den folgenden Jahren nahm die Anzahl an Straftaten zwar ab, liegt derzeit aber immer noch im dreistelligen Bereich und wird medial viel diskutiert. Dies nehmen auch Geflüchtete wahr. Eine breite mediale Berichterstattung kann so, auch ungewollt, zu Bedrohungsszenarien führen.

Narrative spielen eine zentrale Rolle

„Wir müssen daher auch diese abstrakteren Bedrohungen, die unter Geflüchteten durch derartige Attacken und die Berichterstattung darüber erzeugt werden, in den Blick nehmen. Das daraus hervorgehende Klima der Unsicherheit kann zu einem Verlust an Lebensqualität bei den Betroffenen führen.“

Wir müssen daher auch diese abstrakteren Bedrohungen, die unter Geflüchteten durch derartige Attacken und die Berichterstattung darüber erzeugt werden, in den Blick nehmen. Das daraus hervorgehende Klima der Unsicherheit kann zu einem Verlust an Lebensqualität bei den Betroffenen führen.

Aus der sozialwissenschaftlichen Forschung wissen wir, dass Lebenszufriedenheit im direkten Zusammenhang mit psychischer Gesundheit steht. Eine vulnerable Gruppe wie Geflüchtete gilt es dabei besonders zu schützen. Wie kann es aber gelingen, neue Narrative zu schaffen, ohne dabei die Augen vor der Realität und der bestehenden Fremdenfeindlichkeit in Deutschland zu verschließen?

Gebt den Betroffenen eine Stimme

Menschen meistern Krisensituationen mit Resilienz, Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeit. Es wäre daher folgerichtig, Geflüchtete sowie andere Minderheiten zu Wort kommen zu lassen, damit sie ihre Sicht, Probleme, Sorgen und Wünsche schildern können.

So ist nach dem Anschlag in Hanau von unterschiedlicher Seite der Wunsch geäußert worden, dass Minderheiten erstens konsequenter geschützt werden sollten und gleichzeitig das Bedrohungspotential für Minderheiten ernst genommen werden sollte.

„Dies bedeutet, ihre Sorgen vor Fremdenfeindlichkeit einerseits anzuhören und zu dokumentieren und andererseits Straftaten gegen Minderheiten nicht als Klan-Rivalitäten oder Familien-Streitigkeiten abzutun.“

Dies bedeutet, ihre Sorgen vor Fremdenfeindlichkeit einerseits anzuhören und zu dokumentieren und andererseits Straftaten gegen Minderheiten nicht als Klan-Rivalitäten oder Familien-Streitigkeiten abzutun. Dass hier noch viel Arbeit zu leisten ist, zeigte kürzlich die mediale Berichterstattung über einen Brand im Berliner Stadtteil Neukölln: „Flambierter Döner“ titelte die BZ.

Vor dem Hintergrund, dass in Neukölln seit geraumer Zeit rechte Gruppen Anschläge verüben und mittlerweile die SoKo „Fokus“ bei der Polizei Berlin eingerichtet ist, bagatellisieren solche Titel derartige Unglücke nicht nur. Sie sorgen auch dafür, dass sich Minderheiten in bedrohlichen Situationen alleingelassen fühlen.

Ein wirksames Mittel wäre es daher, Einrichtungen von Migrantinnen und Migranten sichtbar polizeilich zu schützen, wenn sich wiederholt zeigt, dass diese Übergriffen ausgesetzt sind. Dies würde nicht nur aktiven Schutz bedeuten, sondern ebenso verdeutlichen, dass dieser Schutz durch die hiesige Gesellschaft gefördert wird.

Soziale Kontakte können ein Schlüssel sein

Ebenso wichtig ist es, positive soziale Kontakte zu initiieren. Die Kommunikation gesellschaftlicher Teilsysteme fördert das gegenseitige Vertrauen und den Zusammenhalt. Im Zuge der Zuwanderung der Jahre 2015 und 2016 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend daher zahlreiche Initiativen unterstützt, die Geflüchtete und Personen der hiesigen Gesellschaft in unterschiedlichen Formaten zusammenbringen. Es ist jetzt an der Zeit, befristete Förderungen zu verstetigen, wenn nicht gar auszuweiten – insbesondere auf ländliche Gebiete. Dort zeigt sich nämlich, dass die Einstellung gegenüber Geflüchteten besonders skeptisch ist.

Der leichte Anstieg an Sorgen vor Fremdenfeindlichkeit kann somit als erste Mahnung verstanden werden – ein weiterer Anstieg muss vermieden werden. Dies ist sowohl mit Blick auf gesellschaftlichen Zusammenhalt als auch die Lebensqualität und Gesundheit Betroffener zentral. Hierfür gilt es sie anzuhören, aktiv zu schützen und Straftaten ihnen gegenüber nicht zu bagatellisieren.