Abschlussbericht

Polizeimaßnahmen im Fall Oury Jalloh waren rechtswidrig

Die parlamentarischen Berater haben ihren Abschlussbericht zum Fall Oury Jalloh vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die polizeilichen Maßnahmen gegen den Asylbewerber rechtswidrig waren. Etliche Fehler führten in Dessau zu Jallohs Tod vor 15 Jahren. Jalloh-Initiative attestiert Bericht grobe Mängel.

Die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ungeklärten Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh waren nach Einschätzung von juristischen Experten rechtswidrig. Egal, ob Feststellung der Identität, Fixierung oder Blutabnahme: Das gesamte Handeln der Polizei am 7. Januar 2005 sei fehlerbehaftet und rechtswidrig gewesen, sagte Rechtsanwalt Jerzy Montag am Freitag in Magdeburg. Neben Montag war der frühere Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel vom Rechtsausschuss des Magdeburger Landtages eingesetzt worden, die parlamentarische Aufarbeitung des Falles zu unterstützen.

Die externen Berater legten am Freitag nach rund acht Monaten Prüfung und Bewertung des umfangreichen Aktenmaterials ihren rund 300 Seiten umfassenden Abschlussbericht in Magdeburg vor. Offene Ermittlungsansätze seien nicht festgestellt worden. Etliche Fehler hätten zum Tod Jallohs geführt, erklärte Montag. Schon die Identität des Asylbewerbers hätte damals bekannt sein müssen. Er habe Unterlagen mit Anschrift und Geburtsdatum dabeigehabt. Montag sprach von erschreckenden Zuständen im damaligen Polizeigewahrsam landesweit und einem Mangel an Rechtskenntnis bei den Beamten.

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Lügen, wiederholte und bewusste Falschdarstellungen

Die Berater stellten zudem fest, dass der Landtag in drei Fällen nicht richtig informiert worden sei. In einem Fall habe Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) das Parlament 2017 über den Stand der Arbeit der Staatsanwaltschaft bewusst unvollständig informiert. Die Linken-Fraktion forderte daher den Rücktritt der Ministerin: „Lügen, wiederholte und bewusste Falschdarstellungen und der Versuch der Einflussnahme haben nichts mit Pannen oder Fehlern zu tun, sondern passieren vorsätzlich und absichtsvoll.“

Der aus Sierra Leone stammende Oury Jalloh starb bei dem Brand am 7. Januar 2005 in Dessau wenige Stunden nach seiner Inhaftierung gefesselt an eine Matratze. Der Fall konnte bislang nicht restlos aufgeklärt werden. Jalloh soll in fixiertem Zustand die brandsichere Matratze mit einem Feuerzeug selbst angezündet haben. Dies wird von mehreren Brandgutachtern angezweifelt. Sie vermuten den Einsatz von Brandbeschleunigern.

Gravierende Missstände und Alltagsrassismus

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Detlef Gürth, sagte, der Rechtsweg sei ausgeschöpft, der Fall aber nicht abgeschlossen: „Der Tod eines Menschen im Gewahrsam hätte nicht passieren dürfen und bleibt auch unentschuldbar.“ Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sebastian Striegel, sagte, Jallohs Tod sei das Resultat individuellen Fehlverhaltens und schweren Organisationsversagens. Es habe gravierende Missstände innerhalb der Polizei gegeben, fehlende Rechtskenntnis, willkürliche Festnahmen von Betrunkenen und Alltagsrassismus.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Jens Kolze, hob hervor, dass auch die juristischen Berater keine offenen Ermittlungsansätze zur weiteren Verfolgung eines Mordes oder Mordversuchs an Oury Jalloh gesehen hätten. Bezüglich dieser Frage sei die parlamentarische Befassung abgeschlossen. Die AfD-Fraktion kritisierte den Bericht als „Steuergeldverschwendung“. Die SPD-Fraktion will zu Beginn der nächsten Legislaturperiode unabhängig von möglichen Koalitionsbildungen einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Oury Jalloh einsetzen.

Initiative attestiert Bericht grobe Mängel

Der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh zufolge ist der Bericht mangelhaft. Die Berater seien zahlreichen offenen Fragen nicht nachgegangen. „Oury Jalloh hatte kein Zündmittel, um den Brand zu legen!“, so die Initiative in einer Erklärung. Danach ist das Feuerzeug erst drei Tage nach dem Brand aufgetaucht und enthält ausschließlich tatortfremde Fasern und DNA.

Die Initiative wirft den Beratern zudem vor, die „Täterversion“ übernommen zu haben. Oury Jalloh habe sich vor seinem Tod schwere Verletzungen wie Nasenbeinbruch, Schädelbruch und zwei gebrochene Rippen zugezogen. Die Berater hätten „die Aussagen der Polizeibeamten“ unhinterfragt übernommen und „klar erkennbare Widersprüche unberücksichtigt“ gelassen.

Schließlich kriminalisiere der Bericht Oury Jalloh. „Es ist eine wiederholte Demütigung des Opfers und der Angehörigen. Die Art und Weise, in welcher die Sonderberater über das Opfer sprechen ist unmenschlich und dient scheinbar dem Zweck einer nachträglichen Legitimierung der grausamen Folter durch die Polizeibeamten in rechtskonservativer Manier“, so die Initiative weiter. (epd/mig)