Politikum

Bund-Berlin-Streit über Aufnahme von Flüchtlingen geht weiter

Der Streit zwischen Berlin und dem Bundesinnenministerium um die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen aus den griechischen Camps wird zum Politikum. Ein Überblick über die Argumente beider Lager.

Das griechische Flüchtlingslager Moria ist zum Symbol des derzeitigen Stillstands in der europäischen Flüchtlingspolitik geworden. In dem überfüllten und humanitär bedenklichen Camp harren Asylsuchende aus. Eine europäisch abgestimmte Lösung gibt es nicht. Die Bundesregierung hat zugesagt, einen kleinen Teil der Flüchtlinge, insbesondere unbegleitete und kranke Kinder, aus dem Lager zu holen. Zwei Bundesländer, Berlin und Thüringen, wollten eigene Programme auflegen. Zumindest Berlin hat für diesen Plan aber nun ein offizielles Nein von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bekommen. Der Senat reagiert empört. Die Blockade wird zum Politikum.

Denn für die Befürworter und Planer der Landesaufnahmeprogramme ist es irritierend, dass der Bundesinnenminister diesmal das von ihm benötigte Einvernehmen verweigert. Immerhin hatte es solche Programme der Bundesländer auch in der Vergangenheit gegeben, etwa zusätzliche Kontingente für Syrer oder spezielle verfolgte Gruppen, wie sie Baden-Württemberg und Brandenburg zum Beispiel für Jesiden aufgelegt hatten. Stets gab es dafür Zustimmung aus dem Bundesinnenministerium.

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Ländervorstoß tangiert EU-Pläne der Regierung

Es gibt nun aber einen Unterschied, auf den Seehofer in seinem Schreiben an Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verweist: Diesmal sollen Flüchtlinge aus einem anderen EU-Staat übernommen werden. Damit tangieren die Pläne die sensible Diskussion um das Dublin-System und eine Reform des EU-Asylsystems, die Seehofer während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in diesem Halbjahr vorantreiben will. Für nationale Alleingänge stehe er nicht zur Verfügung, erklärte er: „Wir sind auf einem guten Weg und ich bin nicht bereit, das jetzt zu gefährden.“

Mit einiger Mühe hatte es Seehofer im zurückliegenden Jahr geschafft, andere EU-Länder davon zu überzeugen, ebenfalls wie Deutschland Seenotgerettete aufzunehmen. Zuletzt gab es Absprachen zur Übernahme Schutzsuchender aus Griechenland. Längst nicht alle EU-Staaten tragen die Pläne aber mit. Von einer fairen Verteilung Asylsuchender ist die EU noch weit entfernt. Seehofer scheint überzeugt, dass ein zu starkes Voranschreiten einzelner Länder einen eventuell möglichen Reformkompromiss verhindert.

Seehofer gegen Alleingang von Ländern

Die Befürworter der Länderpläne – und damit Kritiker Seehofers -, wollen jedoch nicht auf die europäische Lösung warten, bevor den Menschen geholfen wird. Seehofer wiederum verweist in seinem Brief an Geisel aber auf noch einen Punkt, weswegen er das Aufnahmeprogramm für Griechenland in alleiniger Bundeszuständigkeit erhalten will: die Einheitlichkeit der Rechtsgrundlagen und Folgen für die Betroffenen selbst. Das könnte auch eine Lehre der Vergangenheit sein, in der das Nebeneinander von Bund- und Länderprogrammen für teilweise identische Personengruppen zu einem rechtlichen Kuddelmuddel führte.

Im Oktober 2015 kritisierte eine Studie von Forschern des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, dass sich je nach Programm etwa die Dauer der Aufenthaltserlaubnis, das Recht auf Familiennachzug oder der Zugang zu Gesundheitsleitungen unterscheide. Von einigen Ländern verlangte Bürgschaften für einreisende Flüchtlinge trieben manche Helfer fast in den Ruin. Rechtlich schlechtergestellt seien damals vor allem Flüchtlinge in den Länderprogrammen gewesen, heißt es in der Studie. (epd/mig)