Schwarze Abgeordnete

„Krass, dass es so schwer ist, eine kritische Diskussion über Rassismus in der Polizei zu führen“

Aminata Touré und Karamba Diaby kritisieren Innenminister der Länder, der Debatte über Rassismus in der Polizei auszuweichen. Derweil fordert Amnest Antirassismus-Training für Polizei und Justiz. Das Kriminologische Institut plant eine Studie.

Die beiden Schwarzen Abgeordneten Aminata Touré (Grüne) und Karamba Diaby (SPD) haben den Innenministern der Länder vorgeworfen, sich nicht einer kritischen Debatte über Rassismus innerhalb der Polizei zu stellen. Sie finde es „krass, dass es so schwer ist, eine kritische Diskussion über Rassismus in der Polizei zu führen“, sagte Touré, die Landtagsvizepräsidentin aus Schleswig-Holstein, dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Wenn die Innenminister dieser Debatte auswichen, „ignorieren sie nicht nur die Erfahrungen von vielen Menschen mit Migrationsgeschichte, sondern tun auch der Gesellschaft keinen Gefallen“.

Missstände, die es auch in der Polizei gebe, müssten benannt werden, forderte der SPD-Bundestagsabgeordnete Diaby in dem gemeinsamen Gespräch: „Die NSU-Morde, der Tod von Oury Jalloh in der Polizeizelle in Dessau vor 15 Jahren, das sind doch bittere Realitäten in diesem Land.“

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Die beiden Politiker reagierten damit auf Kritik mehrerer Landesinnenminister an SPD-Chefin Saskia Esken, die „latenten Rassismus“ in den Sicherheitsbehörden konstatiert hatte. Esken habe nicht die gesamte Polizei in Deutschland unter Generalverdacht gestellt. „Mit den reflexhaften Reaktionen soll doch nur vom eigentlichen Problem abgelenkt werden“, sagte Diaby.

Studie zu Rassismus bei Polizei geplant

Einem „Spiegel“-Bericht zufolge plant das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen eine großangelegte Studie zu „Vorurteilsstrukturen“ bei der Polizei, den Feuerwehren und in den Ordnungsämtern. Laut einer internen Projektskizze wollen die Forscher um Institutsdirektor Thomas Bliesener untersuchen, wie weit verbreitet Vorurteile gegenüber Minderheiten und „rechtsgerichtete Einstellungsmuster“ in diesen Institutionen sind und wie sich diese verhindern lassen.

Bisher gebe es keine systematischen Erkenntnisse zum Ausmaß problematischer Einstellungen in den Sicherheitsbehörden. Zuletzt war es zu einer hitzigen Auseinandersetzung über Rassismus in der Polizei gekommen. „Eine Untersuchung würde zur Versachlichung der Debatte beitragen“, sagt Bliesener dem „Spiegel“. Die Befragung soll möglichst in allen 16 Bundesländern und bei der Bundespolizei stattfinden. Am Vorhaben beteiligt sei die Deutsche Hochschule der Polizei, auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter habe Unterstützung signalisiert. Noch fehle allerdings die Zustimmung der zuständigen Ministerien.

Amnesty fordert Antirassismus-Training für Polizei

Derweil fordert Amnesty International ein entschlosseneres Vorgehen gegen Rassismus auch in Deutschland. Weltweite Untersuchungen von Amnesty zeigten nicht nur in den USA Handlungsbedarf gegen Rassismus und rassistisches Handeln bei Polizei und Behörden, erklärte der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko, am Freitag in Berlin. Wichtige internationale Standards seien hierzulande nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Behörden, Polizei, Justiz und Militär benötigten systematische Aus- und Fortbildungen sowie unabhängige Beschwerde- und Untersuchungsmechanismen.

Anstatt in der aktuellen Diskussion die Kritik an Rassismus in Polizei und Justiz pauschal zurückzuweisen, täte man gut daran, selbstkritisch die eigene politische Verantwortung zu reflektieren, erklärte Beeko: „Das Ermittlungsversagen bei den NSU-Morden, die Drohbriefe des ‚NSU 2.0‘ aus den Reihen der Polizei Frankfurt am Main, rassistische Äußerungen in Chat-Gruppen oder die Nutzung rechtsextremer Symbole durch Polizeibeamte, verdeutlichen eine akute Problemlage.“

Amnesty fordere deshalb verpflichtende Antirassismus-Trainings für alle Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden und der Justiz. „Es geht nicht darum, Polizisten unter Generalverdacht zu stellen oder zu beschuldigen. Es geht um die Professionalisierung der Polizeiarbeit, um Transparenz und um die Übernahme von Verantwortung“, erklärte Beeko. Zudem müssten Bund und Länder unabhängige Beschwerdestellen einrichten, an die sich Betroffene rassistischer Übergriffe wenden können. (epd/mig)