"Alibi-Debatte"

Verteidigungsministerium startet Diskussion über bewaffnete Drohnen

Soll die Bundeswehr bewaffnete Drohnen zum Schutz deutscher Soldaten einsetzen können? Bevor der Bundestag eine Entscheidung fällt, soll über diese Frage diskutiert werden. Menschenrechtler sehen den Einsatz kritisch. Die Bundeswehr gibt ein Beispiel aus Afghanistan.

Das Verteidigungsministerium wirbt für eine „aufrichtige“ gesellschaftliche Debatte über den Einsatz bewaffneter Bundeswehr-Drohnen. Die Drohnen, um die es gehe, seien keine autonomen Waffensysteme, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber (CDU) am Montag zum Auftakt einer „offenen Debatte über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen“ des Verteidigungsministeriums in Berlin, die auch im Internet übertragen wurde. Nicht eine künstliche Intelligenz entscheide über den Einsatz, sondern immer der Mensch. Bislang sei die Diskussion darüber teilweise „hochemotional“ geführt worden, bedauerte er. Ethikexperten mahnten indes eine moralisch verantwortliche Positionierung an, bevor die Drohnen der Bundeswehr bewaffnet werden.

Die Bundeswehr setzt ihre Drohnen bislang ausschließlich zur Aufklärung ein. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass der Bundestag über die Bewaffnung von Drohnen erst nach „ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung“ entscheiden werde. Deshalb hat das Verteidigungsministerium nun die Debatte gestartet. Den Angaben nach sind für den 25. und 26. Mai Folgeveranstaltungen im Bundestag geplant. Darüber hinaus werde Tauber am 26. Mai an einem Onlineseminar der Universität Regensburg teilnehmen. Der Parlamentarische Staatssekretär versicherte, das Ministerium sei dabei „nur ein Debattenteilnehmer“. Zudem sei die Bundeswehr als Parlamentsarmee immer an ein Mandat des Bundestags gebunden.

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Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink sieht indes einige „Elemente des Unbehagens“. So seien bewaffnete Drohnen Teil einer riesigen digitalen Revolution in der Bewaffnungstechnologie. Dabei gehe es auch um die Frage, ob es in der künftigen Kriegsführung überhaupt noch einen Einfluss des Menschen gebe oder ob Maschinen das künftig untereinander aushandelten. Es müsse sehr sorgfältig über die Vor- und Nachteile nachgedacht werden. Gerade bei einer fortschreitend automatisierten Kriegsführung müsse man zudem fragen, ob das menschliche Gehirn überhaupt so schnell reagieren könne, wie der Mensch dies im Zweifelsfall müsste.

Bundeswehr argumentiert mit Afghanistan

Rechtsexpertin Heike Spieker verwies auf einige Grundsätze, die es zu beachten gelte: Der der Menschlichkeit, der Unparteilichkeit sowie der Linderung und Verhütung menschlichen Leids. Sowohl Unparteilichkeit als auch Menschlichkeit erforderten dabei eine größtmögliche Nähe zwischen Entscheidung und Wirkung, betonte Spieker, die im Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes das Team „Internationales Recht und internationale politische Beziehungen“ leitet.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, machte sich für den bestmöglichen Schutz deutscher Soldaten stark und berichtete von Erfahrungen aus Afghanistan und Mali. Soldaten im afghanischen Kundus hätten bereits die Situation erlebt, dass sie die Taliban bei der Angriffsvorbereitung live hätten beobachten können, dabei aber wehrlos gewesen und somit unter Beschuss gekommen seien.

Linke: Alibi-Debatte

Nach Einschätzung der Kinderrechtsorganisation „Save the Children“ steigt im Jemen wiederum wegen des Einsatzes bewaffneter Drohnen die Zahl unbeteiligter Opfer. Susanna Krüger, Geschäftsführerin der Organisation in Deutschland, sagte dem „Evangelischen Pressedienst“: „Die Distanz zwischen den handelnden Soldaten und dem Kriegsschauplatz wird höher, das führt zu einer größeren Ungenauigkeit und zu mehr zivilen Opfern.“ Inzwischen würden Drohnen im Jemen von allen Akteuren eingesetzt.

Der Vizevorsitzende der Linksfraktion, Andrej Hunko, kritisierte indes die vom Verteidigungsministerium initiierte Debatte als „Alibiveranstaltung“. Er forderte eine Veranstaltungsreihe in allen Bundesländern und eine Umfrage oder Abstimmung in der Bevölkerung. „Denn die lehnt Killerdrohnen bekanntlich ab.“ Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verlangte, „alle Drohnen-Bewaffnungspläne während der Corona-Pandemie zu stoppen“. Eine breite gesellschaftliche Debatte könne nicht „im Wohnzimmer des Verteidigungsministeriums geführt werden“. (epd/mig)