Corona-Krise

Hass und Hetze erreichen neue Dimension

Hass- und Hetzkampagnen im Netz haben mit der Corona-Krise eine neue Dimension erreicht. Das zeigen Medien-Recherchen und Einschätzungen von Extremismusforschern. Polizeiangaben zufolge gibt es bereits eine Reihe rassistischer Übergriffe auf Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Dass Hass- und Hetze im Netz sich immer wieder in Gewalt im realen Leben umschlägt, ist bekannt. Auch in Corona-Zeiten bleiben Menschen offenbar nicht vor rassistisch motivierten verbalen und tätlichen Angriffen verschont. Wie Recherchen des ARD-Politmagazins „Report Mainz“ und Polizeiangaben belegen, gibt es bereits eine Reihe rassistischer Übergriffe auf Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Einige Beispiele: In München wird eine asiatisch aussehende Frau von ihrem Wohnungsnachbarn mit dem Ruf „Corona“ bedroht und mit Desinfektionsspray angegriffen. In einem kleinen Dorf im Landkreis Rosenheim wird das dortige italienische Restaurant mit der Parole „Corona“ beschmiert. In Bielefeld finden die Bewohner einer Straße, in der viele Migranten leben, rechtsradikale Flugblätter in ihren Briefkästen. Darauf steht: „Asylanten und Flüchtlinge und Migranten und Muslime und Nigger – in den Ofen!“

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Hass im Netz erreicht neue Dimension

Der Hass im Netz hat Einschätzungen von Extremismusforschern zufolge sogar eine neue Dimension erreicht. So heißt es in aktuellen Kommentaren auf Facebook über Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Todesstrafe“, „Hinrichten“, „Die Merkel endlich aufhängen, bevor sie noch mehr anrichtet“, „Ich hoffe, sie verreckt gaaaanz langsam“. Als bekannt wird, dass die Bundeskanzlerin nicht mit Corona infiziert ist, wird das z. B. so kommentiert: „Sehr schade, dachte sie verreckt endlich.“ Diese Kommentare stammen aus geschlossenen Gruppen von denen manche 20.000, andere sogar 30.000 Mitglieder haben.

„Wir haben nicht nur eine Corona-Pandemie, wir haben auch eine ‚Hass‘- oder ‚Rassismus-Pandemie‘ in Deutschland“, sagte der Rechtsextremismusexperte Matthias Quent im Interview mit dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“, das am Dienstagabend ausgestrahlt wurde. Prof. Hans-Gerd Jaschke von der Hochschule für Wirtschaft und Recht meint, das habe mit politischer Auseinandersetzung überhaupt nichts mehr zu tun: „Das ist strafbar und müsste natürlich von den Strafverfolgungsbehörden aufgegriffen werden.“

Facebook-Gruppe: „DieInsider“

Die Facebook-Gruppe „DieInsider“ hat diese massive Hass- und Hetzkampagne zwei Wochen lang recherchiert. „DieInsider“ ist eine kleine Gruppe von Menschen, die aus Sorge um die Demokratie ehrenamtlich die Hass-Kriminalität auf Facebook dokumentiert. In ihrer Freizeit sind die Aktivisten in rund zweihundert Gruppen unterwegs, darunter viele geschlossene.

In einem weiteren Kommentar über die Kanzlerin heißt es: „Vor Merkels ‚Wir schaffen das!‘ muss man sich inzwischen mehr fürchten, als vor Goebbels Frage nach dem ‚totalen Krieg‘!“ Matthias Quent bezeichnet das als „Verherrlichung des Nationalsozialismus“.

Experte: Anschlagsgefahr relativ groß

Über den an Corona erkrankten Cem Özdemir ist aktuell zu lesen: „Die beste Nachricht des Tages. Ich bin so glücklich, dass es endlich den Richtigen erwischt hat. Hoffentlich stirbt er.“ Und über den ebenfalls erkrankten Friedrich Merz heißt es: „Hoffentlich rafft es ihn dahin.“ Ein anderer schreibt: „Ab in die Urne.“ Oder: „Na dann ham‘ wa das Dreckige Dutzend ja bald voll“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will man aufhängen. Das sei „Staatsbürgerpflicht“. Viele Hasskommentare gibt es auch zu Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Vor dem Hintergrund dieser Recherchen spricht Prof. Jaschke von einem massiven Mobilisierungsversuch auch der gewaltbereiten rechtsextremen Szene: „Von daher ist die Gefahr, dass es zu militanten Anschlägen kommen wird, meines Erachtens relativ groß.“ (mig)