Diskussion um Klarnamen

Bundesrat befasst sich mit Vorschlägen zum Kampf gegen Hass im Netz

Wer im Internet anonym Hetze verbreitet, ist oft vor Strafverfolgung sicher. Niedersachsen will mit einem neuen Gesetz dafür sorgen, dass Täter künftig identifiziert werden können. Kritiker beklagen eine „Klarnamenpflicht durch die Hintertür“.

Der Bundesrat befasst sich am Freitag mit einer niedersächsischen Initiative für eine bundesweite Identifizierungspflicht im Internet. Der Antrag sieht vor, dass Nutzer bei der Registrierung in sozialen Netzwerken künftig Namen, Anschrift und Geburtsdatum angeben müssen. So sollen die Betreiber der Plattformen Personen identifizieren können, die bisher oft unter anonymen Accounts oder unter Pseudonym Hass und Hetze verbreiten. Die meisten Bundesländer wollen sich noch nicht festlegen, ob sie den Vorschlag unterstützen, wie eine Umfrage des „Evangelischen Pressedienst“ ergab. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern schloss sich dem Entwurf an. Hamburg und Bremen legten eine eigene Bundesratsinitiative gegen Hasskommentare im Internet vor.

Ziel des niedersächsischen Antrags ist es, Straftaten im Internet besser verfolgen zu können. Bisher stoßen Ermittlungen wegen übler Nachrede, Beleidigung oder Bedrohung nach Angaben der Landesregierung sehr rasch an Grenzen. Unter der Verwendung von Pseudonymen könne bislang jede Person uneingeschränkt Kommentare abgeben, ohne eine rasche Identifikation befürchten zu müssen. Der Entwurf sieht vor, dass künftig Ermittlungsbehörden bei Netzwerkbetreibern die hinterlegten persönlichen Daten der Nutzer abrufen können. Dies soll durch eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes festgeschrieben werden. Eine Klarnamenpflicht wird ausdrücklich nicht gefordert.

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„Marktortprinzip“

Der Vorschlag wird am Freitag im Plenum des Bundesrats vorgestellt und dann in den Fachausschüssen beraten. Neun Bundesländer wollen sich erst dann zu dem Antrag positionieren, wie die zuständigen Landesministerien dem „Evangelischen Pressedienst“ mitteilten. Aus Hessen, Thüringen und dem Saarland lagen bis Mittwochnachmittag keine Stellungnahmen vor.

Auch die Initiative Hamburgs und Bremens steht am Freitag auf der Tagesordnung. Sie zielt darauf ab, dass Ermittler im Fall von Hasskommentaren von den Plattformbetreibern die verwendete E-Mail-Adresse und die IP-Adresse bekommen können. Dazu sollen nach einem „Marktortprinzip“ auch Anbieter mit Sitz im Ausland wie Facebook und Twitter verpflichtet werden, deutschen Behörden Auskunft zu erteilen. Bisher verweisen diese laut Entwurf häufig auf den Rechtshilfeweg über die landeseigenen Justizbehörden.

„Klarnamenpflicht durch die Hintertür“

Bremen lehnt den niedersächsischen Vorschlag als „Klarnamenpflicht durch die Hintertür“ ab. Eine Identifizierungspflicht schränke das Recht aller Nutzerinnen und Nutzer auf informationelle Selbstbestimmung ein und sei geeignet, die freie Meinungsäußerung im Internet zu beeinträchtigen, sagte ein Sprecher der Justizsenatorin. Anonymität im Netz sei letztlich nichts Verwerfliches, sondern diene auch dem Schutz der Nutzer und der Meinungsvielfalt.

Bei Initiativen gegen Hass im Netz stieß der Vorstoß dagegen grundsätzlich auf Zustimmung. Die Hilfsorganisation „HateAid“ für Hass-Opfer im Internet sprach von einem richtigen Schritt. Eine Identifikationspflicht sei technisch leicht umzusetzen wie etwa beim Bezug von Kreditkarten und die einzige Möglichkeit, um das Netz nicht zu einem rechtsfreien Raum zu machen, sagte Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg.

Hemmungslos gehetzt, bedroht und beleidigt

Der Verein „#ichbinhier“ erklärte, es sei schlüssig und legitim, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass soziale Medien künftig nicht mehr ohne Identitätsnachweis genutzt werden könnten. „Denn seit Jahren wird in den sozialen Netzwerken von einigen anonymen Accounts hemmungslos gehetzt, bedroht und beleidigt“, sagte die netzpolitische Sprecherin Sonja Boddin.

Die von TV-Moderator Jan Böhmermann ins Leben gerufene Aktion „Reconquista Internet“ wies darauf hin, dass Facebook und Twitter auch ohne explizit erhobene Bestandsdaten bereits in der Lage seien, Nutzer zu identifizieren. Wichtig sei es nun, die Netzwerkbetreiber zur Weitergabe der Daten an die Ermittlungsbehörden zu verpflichten, erklärten die Betreiber des Meldeportals „Hassmelden“. (epd/mig)