Verfassungsschutz

Zahl der Rechtsextremisten steigt um ein Drittel

Die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland ist um ein Drittel gestiegen. Grund: Erstmals wurden AfD-Vereinigungen dazugezählt. Derweil warnt der Verfassungsschutz davor, dass die Beobachtung von Rechtsextremen immer schwieriger wird.

Die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland ist in diesem Jahr deutlich gestiegen. Der Verfassungsschutz in Bund und Ländern hat nach Informationen des „Tagesspiegels“ in dem Spektrum insgesamt mehr als 32.200 Personen festgestellt. Das sei eine Zunahme um ein Drittel. Im vergangenen Jahr hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz den Angaben zufolge von 24.100 Rechtsextremisten berichtet.

Ein wesentlicher Grund für die Zunahme sei, dass der Verfassungsschutz erstmals die Mitglieder der AfD-Vereinigungen „Der Flügel“ und „Junge Alternative (JA)“ dem rechtsextremen Spektrum zurechne, heißt es in Sicherheitskreisen laut Zeitung weiter. Beim „Flügel“ komme der Nachrichtendienst auf 7.000 Personen, bei der JA auf mehr als 1.000 Angehörige. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die beiden Vereinigungen im Januar zu „Verdachtsfällen“ erklärt und die Beobachtung begonnen.

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Beobachtung von Rechtsextremen schwieriger

Der Verfassungsschutz sieht durch neue rechte Strömungen die Demokratie in Gefahr. Anhänger der „Identitären Bewegung“ oder „Reichsbürger“ seien argumentativ nicht mehr zugänglich und lebten abgeschottet vom demokratischen Diskurs, sagte Verfassungsschützer Wolfgang Freter am Freitag bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg.

Mit den veränderten Kommunikationsformen sei die Beobachtung von Rechtsextremen schwieriger geworden. Früher hätten diese ihre Positionen nur über Szene-Postillen verbreiten können, heute finde man alles frei zugänglich im Internet, erläuterte der Referatsleiter Rechtsextremismus und Prävention vom Verfassungsschutz Niedersachsen. Hass werde immer drastischer geäußert, die Trennlinie zwischen populistisch und extremistisch verschwimme. Zugleich wachse der „unstrukturierte Bereich“, der sich nicht in rechtsextremen Parteien oder Bewegungen organisiere. Rechtsextreme fänden Inspirationen durch Werke aus dem Ausland, etwa das sogenannte „Breivik-Manifest“.

Rechtsextremismus-Problem in Sicherheitsbehörden

Nach der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) sei die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern intensiviert worden, sagte Freter. Aktuell gingen die Behörden von bundesweit 12.700 gewaltorientierten Rechtsextremen aus. „Wir haben die Szene im Blick, aber wir wissen nicht, ob wir alles sehen“, sagte der Referatsleiter. Bei der Tagung „Vom Terror überfordert? Die Herausforderung des gewaltsamen Rechtsextremismus“, diskutierten mehr als 70 Fachleute.

Der freie Journalist und Rechtsextremismusexperte Andreas Speit betonte, dass sich der rechte Terror in einigen Regionen längst auf das Alltagsleben auswirke. „Die Menschen wissen inzwischen, welchen Zug sie zu welcher Zeit besser nicht nehmen.“ Er wies zudem darauf hin, dass Sicherheitsbehörden in ihren Reihen vereinzelt selbst ein Problem mit Rechtsextremismus hätten. Dies habe zuletzt der Prozess gegen einen Ex-SEK-Polizisten, der der Gruppierung „Nordkreuz“ angehöre, gezeigt. „Auch Polizei und Sicherheitsbehörden ziehen bestimmte Charaktere an“, sagte er. (epd/mig)