Gutachten

Gutachten bestätigt NS-Vergangenheit von vier LKA-Chefs in NRW

Einem Gutachten zufolge waren mindestens vier Ex-LKA-Chefs in NRW Täter des NS-Unrechtsregimes. Historiker sprechen von Seilschaften und einem typischen Befund in Behörden nach Kriegsende.

Mindestens vier ehemalige Chefs des Landeskriminalamtes NRW waren einem Gutachten zufolge Täter des NS-Unrechtsregimes. „Das Gutachten zeigt ein sehr bedrückendes Ergebnis“, sagte der amtierende LKA-Direktor Frank Hoever am Montag in Düsseldorf. „Das hat mich sehr erschüttert.“ Das Gutachten setzte sich mit den ersten sechs Behördenleitern nach Ende des Zweiten Weltkriegs auseinander.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, die Beteiligung an nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen von Friedrich Karst, Friederich D’heil, Oskar Wenzky und Günter Grasner sei „geschichtswissenschaftlich evident“. Das Ergebnis der Studie sei „umso erschreckender, als die Genannten in ihrem Amt teilweise eine Seilschaft aus der NS-Zeit pflegten“. „Aus heutiger Sicht hätten sie niemals mehr als Polizisten arbeiten dürfen“, unterstrich Reul.

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Kein untypischer Befund

Im Oktober 2016 hatte das Landeskriminalamt sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Damals kamen Hinweise auf, dass es klüger wäre, den ein oder anderen Behördenchef nicht zu ehren – wegen seiner Aktivitäten in der Nazi-Zeit.

Der Historiker Martin Hölzl, der die wissenschaftliche Untersuchung geführt hatte, betonte, das Ergebnis „sei kein untypischer Befund“. Die Behörden hätten nach Kriegsende Spezialisten gesucht. Das man die vier LKA-Chefs trotz ihrer Verstrickungen in NS-Taten eingestellt habe, habe auch deshalb funktioniert, da „die, die davon wussten, selbst beteiligt gewesen waren“, sagte Hölzl.

Auswirkung auf Ahndung von NS-Verbrechen

Das Landeskriminalamt war im Oktober 1946 gegründet worden. Die vier LKA-Chefs zwischen 1946 und 1969 hätten zudem „ihre eigenen Legenden gestrickt“. So betonten sie stets, als Kriminalpolizei in der NS-Zeit „nur unpolitische Täter“ verfolgt zu haben, erklärte Hölzl. Dabei hätte die Kriminalpolizei der Gestapo in nichts nachgestanden. Der Wissenschaftler wies zudem darauf hin, dass in den Jahren nach dem Krieg die in der NS-Zeit Verfolgten, wie etwa Sinti und Roma, Homosexuelle oder Mitglieder der KPD „keine starke Lobby“ gehabt hätten.

Einer der vier in NS-Verbrechen verstrickten LKA-Chefs habe sich damals sogar „selbst als Widerständler“ eingestuft, hieß es. Ein anderer habe gar einen Entschädigungsantrag gestellt, weil seine berufliche Karriere durch die NS-Zeit geschädigt worden sei. „Bei keinem gewöhnlichen Straftäter wären derartige Lügenkonstrukte für glaubhaft gehalten worden, für die Berufskollegen galten offensichtlich andere Maßstäbe. Daran schließt sich mindestens ebenso drängend die Frage an, wie sich die Besetzung von Leitungsfunktionen durch Beamte, die gegen sich selbst hätten ermitteln müssen, auf die Ahndung der NS-Verbrechen ausgewirkt hat“, heißt es im Gutachten. (epd/mig)