Extremismusforscher

Feindbild Migration überzeugt nicht mehr

Die Untergangsszenarien rechter Parteien bleiben aus. Das wird nach Einschätzung des Extremismusforschers Andreas Zick den Menschen langsam klar. Dass die trotzdem rechts wählen, liege an einem Sammelsurium an Gefühlen.

Das Ergebnis der AfD bei der EU-Wahl zeigt nach Einschätzung des Extremismusforschers Andreas Zick, dass das Feindbild Migration weniger mobilisiert als in früheren Jahren. „Es wird vielen Menschen im Westen Deutschlands klarer, dass die Untergangsszenarien ausbleiben“, sagte der Bielefelder Wissenschafter.

Auch werde wahrgenommen, dass die AfD auf Themen wie Klima und soziale Gerechtigkeit keine überzeugenden Antworten gebe. „Es war eventuell auch hilfreich, dass es endlich eine Allianz anderer Parteien gegen Rassismus und andere Feindseligkeiten gab“, sagte Zick. So habe es nicht mehr „das übliche Spiel, am rechten Rand zu fischen“ gegeben.

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Gefühl von Orientierungslosigkeit

Die AfD ist nach Worten des Extremismusforschers „einfach keine Europapartei“: „Sie hat kein anderes europäisches Angebot als die Isolation von Nationalstaaten, die Allianz der Ultrarechten und den Abbau von Bürokratie.“

Die hohe Zustimmung in den ostdeutschen Bundesländern für die AfD führt der Wissenschaftler unter anderem auf ein Gefühl von Orientierungslosigkeit und mangelnde Erfahrungen mit den positiven Auswirkungen von Vielfalt und Migration zurück. Im Osten fehle zudem immer noch eine attraktive politische Identität, die geteilt werden könne und die Zugehörigkeit schaffe.

Machtlosigkeit und soziale Benachteiligung

„Die Erfolge des Rechtspopulismus gehen dort weniger auf echte Alternativen zurück, sondern eher auf Missachtungen von Problemlagen“, erläuterte der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Studien seines Instituts zeigten, dass gefühlte politische Machtlosigkeit und soziale Benachteiligung den Populismus stärkten.

Besorgt äußerte sich der Wissenschaftler über Erfolge von rechtspopulistischen Parteien in Frankreich, Italien, Ungarn und Polen. In vielen Ländern habe sich der Rechtsextremismus parteiförmig organisieren können. Zugleich zeige diese Europawahl den Zustand von Europa und vor allem die kulturellen Unterschiede.

EU vor neuen Herausforderungen

Das europäische Parlament stehe vor neuen Herausforderungen: „Es muss Zusammenhalt zur Lösung globaler Probleme bei Beachtung von kulturellen Unterschieden schaffen.“ Für dieses Europa müsse sich eine neue Mitte finden, die sich auf europäische demokratische Werte und Regeln einige. „Die alten Einordnungen von Europa in links und rechts reichen nicht mehr“, sagte Zick.

Die AfD lag zwar mit elf Prozent bei den EU-Wahlen fast vier Prozent über dem Ergebnis bei der letzten EU-Wahl 2014, jedoch unter dem Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 (12,6). Anders als in westdeutschen Bundesländern erhielt die rechtspopulistische Partei in vielen ostdeutschen Ländern bei der EU-Wahl mehr als doppelt so viele Stimmen wie im Bundesdurchschnitt (Sachsen: 25,3 Prozent; Thüringen 22,5 Prozent). (epd/mig)