Familiennachzug

Regierung verzögert Umsetzung von EuGH-Urteil

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist sechs Monate alt und klar formuliert: Jugendliche haben auch nach Eintritt der Volljährigkeit Anspruch auf Nachzug ihrer Eltern. Die Bundesregierung hat das Urteil immer noch nicht umgesetzt.

Ein halbes Jahr nach einem europäischen Urteil zum Recht auf Familiennachzug zu jugendlichen Flüchtlingen prüft die Bundesregierung noch die Umsetzung für Deutschland. Dabei geht es um die Frage, ob Jugendliche den Anspruch auf das Nachholen ihrer Eltern verlieren, wenn sie während des Verwaltungsverfahrens volljährig werden. Die Bundesregierung sei sich einig, dass ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über einen Fall aus den Niederlanden keine Bindungswirkung für Deutschland entfalte, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin.

Ob man bei der deutschen Praxis Änderungen vornehme, sei Gegenstand einer derzeit laufenden Ressortabstimmung, ergänzte sie. Beteiligt sind daran den Angaben zufolge auch das Auswärtige Amt und das Bundesfamilienministerium. Die Sprecherin bestätigte damit einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, wonach Deutschland das Urteil bislang nicht umsetzt. Jugendliche können demnach ihre Eltern nicht nachholen, wenn sie 18 Jahre alt werden, bevor über ihren Antrag auf den Nachzug der Eltern entschieden wird.

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Das EuGH-Urteil

Der EuGH hatte im April entschieden, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach ihrer Volljährigkeit nicht ihr Recht auf Familienzusammenführung verlieren. Voraussetzung sei, dass sie innerhalb einer „angemessenen Frist“ nach ihrer Flüchtlingsanerkennung einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen, urteilten die Luxemburger Richter. (AZ: C-550/16)

Das Auswärtige Amt betonte, Anträge von Jugendlichen, die bald volljährig werden, würden prioritär geprüft. Bei der Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär geschützten Flüchtlinge, die keinen Rechtsanspruch auf den Nachzug haben, hatten Außen- und Innenministerium mitgeteilt, dass bei der seit August geltenden Kontingentregelung auch Jugendliche berücksichtigt werden, die in der Zwischenzeit volljährig werden. Ausschlaggebend soll dabei das Alter bei Antragstellung sein. (epd/mig)