Recht und Ordnung

Fragen und Antworten zu Zurückweisungen an Grenzen

In der Debatte um Zurückweisungen von Flüchtlingen an der deutschen Grenze bemühen Befürworter und Gegner immer wieder Rechtsbegriffe, die CSU spricht sogar vom „Wiederherstellen des Rechts“. Vermischt werden dabei immer wieder Regelwerke. Das MiGAZIN beantwortet Fragen zum Recht an der Grenze.

Welches Recht gilt an den Binnengrenzen in Europa?

Im sogenannten Schengen-Raum werden Personen nur an den Außengrenzen kontrolliert, an den Binnengrenzen nicht. Deutschland ist dem Schengen-Abkommen 1990 beigetreten, ab 1995 fanden dann – bis auf Ausnahmen – keine Grenzkontrollen mehr statt.

Was hat sich 2015 geändert?

Durch die starke Fluchtbewegung von Menschen, die durch osteuropäische Staaten Richtung Deutschland weiterwanderten, hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im September 2015 wieder Kontrollen an der Grenze zu Österreich eingeführt. Das Schengen-Abkommen ermöglicht sie für maximal sechs Monate. Die deutschen Grenzkontrollen wurden seitdem immer wieder für ein halbes Jahr verlängert. Tatsächlich hat sich das Grenzregime ab 2015 also verschärft. Der Begriff von der „Grenzöffnung“ oder die Forderung nach einer „Wiederherstellung des Rechts an der Grenze“ sind daher zumindest irreführend.

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Gegen welches Recht wurde dann verstoßen?

Kritiker der Aufnahmepolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führen die Dublin-Verordnung an, nach der der EU-Einreisestaat für das Asylverfahren zuständig ist. Reisen Asylsuchende in ein anderes Land weiter, kann dies sie wieder dorthin zurückschicken. 2015 wurde darauf verzichtet, einige interpretieren das als Bruch mit dem europäischen Dublin-Regelwerk. Anderseits erlaubt es die Übernahme von Verfahren mit dem sogenannten Selbsteintrittsrecht.

Gab es vor 2015 Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Flüchtlingen?

Ja, zeitlich befristet. Unter anderem gab es im Zusammenhang mit dem G7-Gipfel im Juni 2015 für gut drei Wochen Grenzkontrollen, bei denen nach Angaben der Bundespolizei mehr als 360.000 Menschen kontrolliert wurden. 692 Menschen wurden dabei zurückgewiesen, weil sie nicht die notwendigen Papiere für eine Einreise vorweisen konnten. Darunter hätten auch Asylsuchende sein können, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Konkrete Zahlen, wer warum zurückgewiesen wurde, gibt es aber nicht. Zu Zeitpunkten, an denen keine Grenzkontrollen stattfanden, gab es auch keine Zurückweisungen, weil sie die Kontrolle voraussetzen.

Was ist gegen die Zurückweisung einzuwenden, wenn ein anderer EU-Staat nach geltenden Regeln zuständig ist?

Die Dublin-Verordnung sieht zwar vor, dass der Ersteinreisestaat zuständig ist. Ob der Schutzsuchende dorthin zurückgeschickt werden kann, bedarf aber einer Prüfung, betonen beispielweise Sozialverbände wie die Diakonie. Gibt es etwa Verwandte, die bereits in Deutschland sind, muss nicht automatisch das Ersteinreiseland für das Verfahren verantwortlich sein. Eine Zurückweisung an der Grenze würde dieses Prüfverfahren verhindern.

Was wäre nötig, um die von der CSU geforderten Zurückweisungen an den Grenzen durchzusetzen?

Es gibt bereits heute Zurückweisungen von Menschen, die keine gültigen Papiere haben und nicht Asyl beantragen wollen. 3.900 Zurückweisungen gab es nach Auskunft der Bundespolizei zwischen Januar und Ende Mai. Kontrolliert wird aber derzeit nur an der deutsch-österreichischen Grenze. Die Kontrollpunkte könnten vermutlich umgangen werden. Die Antwort auf die Frage, welche personelle und finanzielle Konsequenz eine lückenlose Kontrolle der deutschen Grenze hätte, ist bislang nicht beantwortet worden. (epd/mig)