Einfach & verständlich

Sachverständige fordern umfassendes Gesetzbuch zur Einwanderung

Deutschland braucht ausländische Fachkräfte, stellt der Koalitionsvertrag fest. Versprochen wird dort ein Regelwerk für Arbeitszuwanderung. Dies müsse vor allem einfach sein und Hürden für beruflich Qualifizierte abbauen, fordern Experten.

In der Debatte um ein Einwanderungsgesetz fordert der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration einen großen Wurf der Politik. In seinem Jahresgutachten 2018 sprechen sich die Forscher für ein umfassendes Regelwerk nach dem Vorbild des Sozialgesetzbuches aus. Ziel sollte nach Ansicht der Experten sein, bestehende Regeln zu bündeln, verständlicher zu machen und insbesondere die Zuwanderungsmöglichkeiten für Fachkräfte ohne Hochschulabschluss zu erleichtern. Gleichzeitig warnen die Forscher in dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Gutachten davor, die Wirkung von Gesetzen auf Einwanderung zu überschätzen.

Der Sachverständigenrat widmet sich in seinem Gutachten den Zuwanderern, die nicht aus humanitären Gründen – beispielsweise Asyl – einen Aufenthalt in Deutschland anstreben, sondern hier arbeiten wollen. „Unser Land braucht geeignete und qualifizierte Fachkräfte in großer Zahl“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag von Union und SPD, die dort ein neues Regelwerk ankündigen. In der öffentlichen Debatte werde aber vor allem über Flucht und Islam geredet, nicht über diesen Zweig der Einwanderung, beklagte der Migrationsrechtsexperte Daniel Thym. Asyl und Fachkräftezuwanderung haben in Deutschland verschiedene rechtliche Grundlagen.

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Die Chance der Schaffung eines Einwanderungsgesetzbuchs sieht der Sachverständigenrat vor allem auch in der dann nötigen Debatte im Parlament und in der Öffentlichkeit. Die Bevölkerung müsse eingebunden werden, sagte der Gremiumsvorsitzende Thomas Bauer. Zudem signalisiere solch ein Gesetz, „dass sich Deutschland als Einwanderungsland begreift“, sagt der Wirtschaftsforscher.

Bündelung der Regelungen

Vorteil des Gesetzbuchs wäre nach Ansicht der Experten außerdem die Bündelung der Regelungen, aus denen über Jahre „ein wahrer Dschungel“ geworden sei. Bei den konkreten Regelungen haben die Forscher indes nur Änderungswünsche an Details. Deutschland, so haben es bereits mehrere Studien bewiesen, hat bereits ein eher liberales Einwanderungsrecht. Insbesondere bei den Regelungen für hoch qualifizierte Fachkräfte mit Hochschulabschluss hält der Sachverständigenrat weitreichende Reformen für unnötig. Anders beurteilt er es bei Einwanderern mit Berufsabschluss.

Sie müssten neben dem Arbeitsvertrag noch immer die sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung bestehen, erklärte Bauer. Dabei wird geprüft, ob der betreffende Abschluss dem im speziellen deutschen System der dualen Bildung erworbenen vergleichbar ist. Oft ist diese Hürde zu hoch. Der Sachverständigenrat schlägt für eine Öffnung ein Modell „Nimm 2+“ vor. Neben dem Arbeitsvertrag müssten dabei zwei weitere Kriterien, etwa Sprachkenntnisse oder die beabsichtigte Arbeit in einem Mangelberuf, nachgewiesen werden, um einreisen zu können. Die Gleichwertigkeitsprüfung würde entfallen.

Nachteil Sprache

Deutschland habe im Wettstreit um Fachkräfte einen Nachteil: die Sprache, erklärte Bauer. Migranten entschieden sich eher für englischsprachige Länder. Diesem Nachteil müsse Deutschland eine einfache Regelung entgegensetzen. Bauer warnte zudem vor einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Es sei restriktiver und komplizierter als das, was Deutschland bislang an Regelungen habe, sagte er.

Bauer und seine Kollegen im Sachverständigenrat betonen aber auch, ein Gesetz sei nur ein Faktor, um qualifizierte Zuwanderer zu locken. Verdienstmöglichkeiten und Angehörige spielten bei der individuellen Entscheidung ebenso eine Rolle. Ein Gesetz könne die Einwanderung daher nur begrenzt beeinflussen. „Menschen lassen sich nicht so leicht steuern wie Maschinen oder Waren“, sagte Bauer. (epd/mig)