Kino

Black Panther – Flucht mit verkehrten Rollen

„Black Panther“ erinnert sehr an die derzeitige weltpolitische Lage, an „Wirtschaftsflüchtlinge“, an das Bollwerk der Außengrenzen, an Trumps große Mauer. Regisseur Ryan Coogler hat einen Film erschaffen, der mitten ins Wespennest europäischer Migrationsdebatten stößt. Von Josephine Macfoy

Man stelle sich ein futuristisches afrikanisches Königreich vor, das technologisch die Spitze der weltweiten Entwicklung erreicht hat. Doch es veröffentlicht die Errungenschaften nicht. Durch eine Illusion getarnt, macht es andere Staaten glauben, es sein eines der ärmsten Länder der Welt, etwas, das Donald Trump als „Drecksloch“ bezeichnen würde. In „Black Panther“ ersteht dieses Königreich bildgewaltig auf und konfrontiert die Zuschauer mit der Utopie umgekehrter Verhältnisse: Was wäre, wenn Macht und Mittel im Süden und nicht im Norden konzentriert wären? Allein schon wegen dieses Gedankenspiels ist Black Panther ein sehenswertes Stück Filmgeschichte.

Binnen weniger Wochen hat es Black Panther in die Alltime-Umsatz-Tabelle geschafft, die Milliarde ist seit Anfang März geknackt. Weltweit wird der Film von schwarzen Menschen als Speerspitze einer Kulturrevolution gefeiert, als Denkmal eines bisher kaum massentauglich dargestellten Selbstbewusstseins. Angesichts der immer noch bescheidenen Diversität in Hollywoods Prestigeproduktionen musste das fast so kommen.

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Seit jeher sind Helden Projektionsflächen für Kräfte, die Menschen gerne hätten. Gleichsam sind ihre Geschichten Impulse, an den Sieg des Guten zu glauben, daran, dass die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten der Welt früher oder später in ein Happy End münden können. So sind Epen auch Zugänge zur Hoffnung. Und so ist „Black Panther“ ein Leuchtturm für das immer noch vielfach infrage gestellte positive Selbstbild schwarzer Menschen. Viel zu langsam nämlich ändern sich die Klischees der Minderwertigkeit – im Film ebenso wie in Gesellschaften. Zu präsent sind immer noch koloniale Narrative, wenn es um Afrika geht. „Black Panther“ spart sich schwarz besetzte Opferrollen komplett. Alle Protagonisten sind auf ihre Weise mächtig. Die Handlung wird von einem vornehmlich schwarzen Cast vorangetrieben. In einer Vision des Empowerments, in der immerhin ein afrikanisches Volk wahrhaft unabhängig scheint, entscheiden die Figuren selbst über ihr Schicksal, mehr noch: über das Schicksal der Welt. Glaubhaft löst der Film so das Versprechen seines Titels ein.

Gegenentwurf zu dunkelhäutigen Randfiguren

Doch „Black Panther“ ist nicht nur ein Gegenentwurf zu den vielen dunkelhäutigen Randfiguren, Hilfebedürftigen und Problemfällen Hollywoods. Er ist auch – und das fehlt im Medienmainstream bisher – ein Spiegel für den Westen: In Person des Afroamerikaners Killmonger, einem verloren geglaubten Cousin des Helden und Königs T’Challa, klopft das Elend der Welt an die Tore der abgeschotteten reichen Enklave Wakanda. Killmonger, selbst im Ghetto aufgewachsen, hat es auf das Supermetall Vibranium abgesehen, auf dem der wakandische Technologiefortschritt aufbaut. Er will damit die Unterdrückten der Welt damit bewaffnen, auf dass sie die ungerechten Verhältnisse umstoßen mögen. Vor seinem Putschversuch stellt Killmonger Fragen, die Wakanda bisher verdrängt hat: Wie könnt ihr in Reichtum und Zufriedenheit leben, wenn um euch herum die Hölle ausbricht? Wie könnt ihr euch vor eurer Macht verstecken, die Verhältnisse grundlegend zu ändern?

In Black Panther wird dies zwar innerhalb der Ethnie verhandelt, es geht um Schwestern und Brüder in der Welt, die Hilfe bräuchten. Der Zwiespalt aber ist ein grundsätzlicher: Wie stark muss der Rest der Welt auf reiche Staaten eindringen, bevor diese ihre Verantwortung annehmen? In Wakanda bricht darüber ein gewalttätiger Konflikt aus, mit dem Killmonger die Herrscherfamilie zum Handeln zwingt. Eines wird klar: Kein Land kann sich dauerhaft einer globalisierten Welt entziehen.

Umgekehrte Rollen

Das alles erinnert sehr an die derzeitige weltpolitische Lage, an „Wirtschaftsflüchtlinge“, die nach europäischer Rhetorik abgewehrt werden müssen, an das Bollwerk der Außengrenzen, an Trumps große Mauer. Auswanderer aus Ländern der sogenannten Dritten Welt, die ihr gerechtes Stück vom Kuchen fordern, stellen aktuell den westlichen Wohlstand infrage. Wirtschaftliche Unrechtssysteme, fehlende Perspektiven und langfristig auch der Klimawandel werden sie auch in Zukunft antreiben. Wie viele Millionen im Meer Verunglückte braucht es, bis die erste Welt ihre Rolle reflektiert? Und: Können Grenzen überhaupt noch eine Lösung sein?

Wohl unbeabsichtigt hat Regisseur Ryan Coogler einen Film erschaffen, der mitten ins Wespennest europäischer Migrationsdebatten stößt. „Black Panther“ greift das Dilemma mit verkehrten Rollen auf – ein starker Impuls, durch den die utopische Welt plötzlich beklemmend real wirkt. Der prominente Gedanke schwarzer Verbrüderung wird vor diesem Hintergrund zum Appell an Menschen mit persönlichen Verbindungen in ärmere Staaten: Ihr, die ihr im Wohlstand lebt, verschließt nicht die Augen vor dem Rest! Denn ihr als allererste könnt die drängende Ungerechtigkeit nachfühlen.