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Nebenan

Gerne würde ich über China reden

Den Rückzug der USA aus der Weltpolitik nutzt derzeit China, sich in Stellung zu bringen. Eigentlich das eine Steilvorlage, sich mit der Volksrepublik zu beschäften, wenn es nicht so schwerfallen würde. Von Sven Bensmann

Von Dienstag, 06.06.2017, 4:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.06.2017, 16:56 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Nachdem ich in meinem letzten Text die Hypothese formuliert hatte, der Rückzug der USA aus der Weltpolitik hinterlasse eine Vakanz, die die Chinesen kaum unbesetzt lassen würden, hat sich in der letzten Woche gezeigt, wie China sich in Stellung bringt – eine hervorragende Vorlage, um sich heute mit der Volksrepublik zu beschäftigen.

Das wiederum stellt mich aber vor zwei Probleme:

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Erstens, dass China von individuellen Freiheiten weniger hält als der Westen, kann als bekannt gesetzt werden. Und dass die Darstellung der Rolle Chinas beim Klimawandel hierzulande weniger mit der Realität zu tun hat, als die Abgaswerte bei VW, dämmert wohl auch den allermeisten. Warum sonst sollte man auf die Idee kommen, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid nicht pro Einwohner, sondern pro Land zu berechnen, wenn nicht, damit das Land mit den meisten Einwohnern bequemerweise ganz oben steht? Eine solche Liste von Emittenten des deutlich schädlicheren Methan, bei der China wohl weit unterhalb von Europa und den USA stünde, ist praktischerweise nicht aufzutreiben.

Gerade international handelt China derweil erstaunlich unaufgeregt und geradezu nachhaltig, weil man sich nicht von einer ideologischen Agenda leiten lässt, die nur ganz zufällig immer dann zum Tragen kommt, wenn auch ein paar Millionen Barrel Öl vor Ort rumliegen. Gerade in Zeiten, in denen die USA von einem narzisstischen Kleinkind gefangen im Körper eines orangenen Nilpferds regiert werden, ist damit China immer mehr ein verlässlicher Partner – vielleicht nicht besonders einfach, dafür zumindest erwachsen.

Zweitens, ungleich wichtiger, befindet sich London im Ausnahmezustand, weil eine Gruppe junger Männer – und es sind immer junge Männer, das ist die einzige Konstante (Beate Zschäpe die einzige Ausnahme in der jüngeren Geschichte) – Menschen getötet haben. Was davon zu halten ist, dass sie mit Attrappen von Sprengstoffgürteln Menschen erstochen haben, wird noch zu klären sein; auch wenn die Geheimdienstexperten bei Twitter und den PI-News natürlich bereits Minuten nach der Tat wussten, was passiert ist. Dass gleichzeitig Rock am Ring unterbrochen wird und wohl ein einfacher Sylvesterböller in einer Masse von Fußballfans in Turin für Panik sorgt, zeigt, wie sehr sich die Menschen heute bewusst sind, dass die Kriege, die Europa in der Welt führt, inzwischen wieder in Europa angekommen sind.

In solchen Zeiten über China zu reden fällt schwer – auch wenn es natürlich Parallelen gibt, ist es doch seinerseits dem Terror religiöser Extremisten ausgesetzt. Dass dieser Terror nicht im Namen bärtiger, grimmig dreinschauender Männer ausgeführt wird, sondern in dem eines grinsenden, kichernden, kahlen Greises im orangenen Bademantel, sollte es eigentlich nicht besser machen – aber Krieg ist eben vor allem Propaganda und Tenzin Gyatso hat‘s gar zum Friedensnobelpreis gebracht. Aktuell Meinung

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  1. Uta Reuß-Knote sagt:

    Für mich liest sich dieser Artikel so, als sehe der Autor in dem Dalai Lama einen Kriegstreiber?! Ist das tatsächlich so?
    In Zeiten wo nix mehr so sicher ist, wie die allseitige Desinformation, werde ich den Autor dann auch in meinem persönlichen Orientierungsregal umsortieren!

  2. Hans Moltke sagt:

    @Uta Reuß-Knote

    Der Dalai Lama ist nicht unbedingt ein Kriegstreiber. Er ist sicherlich nicht so schlimm wie der Vatikan, der SS Männer mit Hilfe ihrer Klöster vor den
    Allierten gerettet hat und in Ruanda christliche Genozide an Heiden unterstützt hat. Er ist mehr auf derselben Ebene zu sehen wie die Tiroler Unabhängigkeitsbewegung, die Deutschland gegen Italien unterstützt. Allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass der BND nicht so gut
    ausgestattet ist wie der CIA, auf dessen Gehaltsliste der Dalai Lama lange Zeit stand. Davon abgesehen viele Buddhisten sehen den tibetischen
    Lamaismus als ein Problem an, weil er theokratische Züge hat und vom
    ursprünglichen indischen Buddhismus abweicht. Weltliches Machtstreben
    und der buddhistische Geist vertragen sich nicht. Ähnliches kann man auch
    über den chinesischen, japanischen, vietnamesischen und thailändischen Buddhismmus sagen.

  3. TaiFei sagt:

    Uta Reuß-Knote sagt: 6. Juni 2017 um 09:20
    „Für mich liest sich dieser Artikel so, als sehe der Autor in dem Dalai Lama einen Kriegstreiber?! Ist das tatsächlich so? In Zeiten wo nix mehr so sicher ist, wie die allseitige Desinformation,“
    Zu dem Thema gibt es eine Vortrag des Herrn Colin Goldner, siehe Youtube. Ich finde die Art des Vortrages zwar nicht durchgängig hilfreich, dennoch kann man an den vorgetragen Argumenten nicht vorbeigehen. Einige Punkte, gerade zum historischen Bereich Tibets sind definitionstechnisch zwar durchaus umstritten aber das gezeichnete Gesamtbild ist schon realistisch.

  4. Petra Melchert sagt:

    Mal wieder ein ausgesprochen guter Artikel. Solche unaufgeregten Analysen fehlen momentan traurigerweise in sämtlichen namenhaften Zeitungen.

    @Uta Reuß-Knote, es gibt in China noch ein paar mehr Ethnien und religiöse Minderheiten neben den Tibetern bzw. Buddhisten. Vermutlich nimmt Herr Bensmann hier Bezug auf die (vermutlich) von Uiguren getätigten Anschläge der letzten Zeit, mit dem Dalai Lama hat das nichts zu tun – der befindet sich ja nicht mal in China…

    Im Übrigen ist nicht an allem was einzelne Gläubige tun das jeweilige religiöse Oberhaupt verantwortlich. Auf die rassistischen Buddhisten in Myanmar hat der Dalai Lama offenbar auch wenig Einfluss. Ashin Wirathu schon eher

  5. TaiFei sagt:

    Hans Moltke sagt: 6. Juni 2017 um 22:07
    „Davon abgesehen viele Buddhisten sehen den tibetischen
    Lamaismus als ein Problem an, weil er theokratische Züge hat und vom
    ursprünglichen indischen Buddhismus abweicht. Weltliches Machtstreben
    und der buddhistische Geist vertragen sich nicht. Ähnliches kann man auch
    über den chinesischen, japanischen, vietnamesischen und thailändischen Buddhismmus sagen.“
    Der thail. Theravada-Buddh. weicht vom ursprünglichen Buddh. kaum ab, im Gegensatz zum indischen. Kennzeichen des Theravada ist ja das reine Bekenntnis zum ursprünglichen Pali. Eine ältere Schule ist nicht mehr existent. Gerade in Indien hat der Buddhismus viele weitere Transformationen erhalten u.a. sogar Einflüsse aus dem Hellinismus.

  6. cead mile failte sagt:

    @Petra Melchert
    die vermeintlichen rassistischen mönche in myanmar lehnen wirathu und seine selbsternannten patrioten ab. terroristen in xinjiang sind nicht mutmasslich, die turkestan-partei wollte schon vor 9/11 den dschihad. dass china all dies zu propagandazwecken instrumentalisiert ist dennoch bekümmernder fakt.

    der artikel selbst ist schwach, herauslesbar vor allem die genugtuung ob einer massenpanik. die zahlen zum methanausstoss sind leicht auffindbar, ebenso die wahrnehmung xinjiangs als gefährlicheres tibet.
    mit ein bisschen recherche hätte es ja noch zur glosse gereicht.