Facebook lehnt Schmerzensgeld ab

Anwalt will Ende der Hetze gegen syrischen Flüchtling erreichen

Muss Facebook verleumderische Beiträge löschen, oder nicht? Um diese und andere Fragen ging es bei einer mündlichen Verhandlung eines syrischen Flüchtlings gegen den US-Konzern vor dem Würzburger Landgericht. Entschieden wurden nichts, Erkenntnisse gab es trotzdem.

Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun ist am Montag in Angriffslaune. Noch bevor die mündliche Verhandlung vor der Ersten Zivilkammer des Würzburger Landgerichts beginnt, liefert er sich mit seinem Hamburger Anwaltskollegen Martin Munz einige verbale Scharmützel. Munz vertritt den US-Konzern Facebook. Gegen diesen will Jun für den syrischen Flüchtling Anas Modamani eine einstweilige Verfügung erwirken. Denn in dem sozialen Netzwerk wimmelt es laut Jun nur so vor Verleumdungen Modamanis – immer verbunden mit einem Bild, das den jungen Mann mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt. Und immer wieder wird ihm etwa die Beteiligung an Terroranschlägen oder Straftaten unterstellt.

Als Munz seinen Aktenkoffer ausgepackt hat, nimmt er einen Packen Papier, geht auf Jun zu und drückt ihm diesen in die Hand. Es handelt sich um den ungefähr 60-seitigen Schriftsatz samt Anlagen, mit der die Hamburger Kanzlei „White & Case“ am späten Freitagabend auf Juns schon vor Wochen eingereichte Schriftsätze reagiert hat – und das dem Würzburger IT-Fachanwalt erst am Montag um 11 Uhr vom Landgericht weitergeleitet wurde, vier Stunden vor Verhandlungsbeginn. Das ist bei Eilverfahren zwar rechtlich zulässig, aber Jun ist genervt: „Wäre auch nett gewesen per E-Mail vorab.“ Munz antwortet: „Ja, ich weiß.“ Jun daraufhin trocken: „Aber sie wollten nicht nett sein?!“

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Diese Konversation beschreibt den weiteren Verlauf der gut eineinhalbstündigen mündlichen Verhandlung. Richter Volkmar Seipel versucht zunächst, die beiden Parteien zu einer gütlichen Einigung in der Sache zu bewegen. Doch es wird schnell klar, dass das wohl nichts wird. Munz erklärt, dass Facebook kein Schmerzensgeld an Modamani zahlen will. Für Beiträge von anonymen Nutzern, die unverändert veröffentlich wurden, schließe man Schmerzensgeldzahlungen auch „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ aus. Nicht ganz so ablehnend zeigte sich Munz für den US-Konzern bei der Forderung, die verleumderischen Beiträge über Modamani europaweit nicht nur zu blockieren, sondern zu löschen.

Keine Einigung

Zu einer Einigung kam man indes nicht, erst muss sich Munz dafür mit Facebook besprechen. Jun bewertet diese Andeutung eines Einlenkens aber als Erfolg, denn erstmals habe Facebook öffentlich erklärt, dass die beanstandeten Bilder nicht – wie bislang behauptet – gelöscht, sondern nur für deutsche Nutzer blockiert wurden. Das heißt: Für ausländische Nutzer oder für versierte deutsche Internetnutzer seien solche Blockierungen leicht zu umgehen und die verleumderischen Beiträge weiter abrufbar, sagte Jun. Die Facebook-Anwälte lehnten auch die Forderung ab, mit Software das erneute Hochladen von Modamanis Bild zu stoppen. Dies sei technisch nicht möglich, Jun behauptet das Gegenteil.

„Wir wollen, dass die Hetze gegen Modamani aufhört“, unterstrich Jun. Von den Facebook-Anwälten wollte der Jurist wissen, weshalb der US-Konzern bislang daran festhalte, die Bilder nur zu blocken, statt sie zu löschen. Mit einer weltweiten Löschung von Inhalten sei der Konzern sehr vorsichtig, erwiderte Munz. Denn was nach deutschem oder EU-Recht nicht erlaubt sei, sei anderswo vielleicht in Ordnung. Der Ausgang des Verfahrens ist völlig offen. Beide Parteien haben nun mehr als einen Monat Zeit, sich doch noch gütlich zu einigen. Sollte dies nicht geschehen, will die Erste Zivilkammer des Landgerichts am 7. März eine Entscheidung verkünden. (epd/mig)