Verpasste Chance

Kabinett beschließt Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte

Nach zähem Ringen formuliert die Bundesregierung ihre Vorschläge für mehr Menschenrechte in der Wirtschaft. Nichtregierungsorganisationen und Opposition kritisieren die fehlende Verbindlichkeit und sprechen von einer verpassten Chance.

Deutsche Unternehmen sollen künftig bei ihren Auslandsgeschäften stärker auf die Menschenrechte achten. Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch dazu einen Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, in dem sie entsprechende Erwartungen an die Wirtschaft formuliert. Entwicklungsorganisationen und Opposition kritisierten den Plan als unzureichend.

Zentrale Elemente des Papiers sind laut der Menschenrechtsbeauftragten der Regierung, Bärbel Kofler (SPD), dass Unternehmen eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte abgeben sowie ein Beschwerdemechanismus. Künftig soll ein Verfahren festgelegt werden, um „tatsächliche und potenziell nachteilige Auswirkungen unternehmerischen Handelns“ zu erkennen. Für Kofler ist der Aktionsplan ein Auftakt. „Jetzt kommt es darauf an, die Erwartungen weiter auszudifferenzieren und den Unternehmen Wege aufzuzeigen, wie sie die Erwartungen erfüllen können.“

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Organisationen werfen Regierung Verwässerung vor

Entwicklungsorganisationen warfen der Bundesregierung vor, die Vorgaben zu verwässern. Sie begrüßten am Mittwoch zwar „erste positive Ansätze“, nannten den Aktionsplan aber unzureichend. Viele Maßnahmen seien zu vage formuliert oder nur als Prüfaufträge aufgenommen, erklärte ein Zusammenschluss von Organisationen, darunter Amnesty International Deutschland, „Brot für die Welt“, Misereor und Oxfam.

So schrecke die Bundesregierung davor zurück, deutsche Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten im Ausland in die Pflicht zu nehmen, kritisierte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Es bleibe unverständlich, warum nicht einmal Unternehmen im Eigentum des Bundes verbindliche Regeln einhalten müssten.

Keine Verbindlichkeit

Auch der Entwicklungsverband Venro, das Forum Menschenrechte und das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung kritisierten die fehlende Verbindlichkeit. Wenn Unternehmen die Vorgaben ignorierten, müssten sie weder Bußgelder noch Zivilklagen oder andere Konsequenzen fürchten, sagte der Vorstandsvorsitzende von Venro, Bernd Bornhorst. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass Auslandsinvestoren ihre Rechte international einklagen können, während Opfern von Menschenrechtsverletzungen diese Möglichkeit verweigert wird.“

Ähnlich äußerte sich die Anti-Korruptionsorganisation Transparency Deutschland. „Der Appell zur Einhaltung dieser Standards reicht nicht aus, um nachhaltige Lieferketten sicherzustellen“, sagte die Vorsitzende Edda Müller.

Opposition: Kuschelkurs mit der Wirtschaft

Kritik kam auch aus der Opposition. Der Entwicklungsexperte der Linksfraktion im Bundestag, Niema Movassat, warf der Regierung einen Kuschelkurs mit der Wirtschaft vor. „Deutsche Unternehmen können im Ausland weitermachen wie bisher“, erklärte Movassat. Für den Sprecher für Entwicklungspolitik bei den Grünen, Uwe Kekeritz, ist der Plan ein Trauerspiel. Dass gerade eine vermeintlich fortschrittliche Industrienation beim Menschenrechtschutz einknicke, sei hochnotpeinlich.

Mit dem Aktionsplan werden Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen umgesetzt. Vor rund zwei Jahren begannen die Beratungen der Bundesregierung mit Nichtregierungsorganisationen unter Federführung des Auswärtigen Amtes. Die Ausarbeitung des Aktionsplans hatte zu Auseinandersetzungen zwischen Union und SPD geführt. Die Organisationen kritisierten zudem, dass sie vor Verabschiedung des Plans im Kabinett nicht die Möglichkeit bekamen, diesen zu kommentieren. (epd/mig)