Ruhe nach der Odyssee

Betreuer mit Migrationshintergrund kümmern sich um junge Flüchtlinge

In einer Wohngruppe betreuen Menschen, die selbst zugewandert sind, junge Flüchtlinge. Für die Jugendlichen eine Art Ersatzfamilie, in der sie nach der Flucht zur Ruhe kommen können. Von Carsten Grün

Schön im Grünen gelegen ist Aymans neues Heim. Eine Idylle verglichen mit den Jahren zuvor. Der junge Iraker ist vor den Kämpfen zwischen der irakischen Armee und dem „Islamischen Staat“ geflohen. Über die Türkei, Griechenland und die Balkan-Route kam er nach Deutschland. Nun lebt er als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling in einer Wohngruppe der Evangelischen Jugendhilfe in Oberhausen. „Ich will hier unbedingt einen Schulabschluss machen und dann eine Ausbildung im Kfz-Bereich“, sagt er auf Arabisch, unterlegt mit etwas Deutsch, dass er im Integrationskurs gelernt hat.

Dass Ayman nach der gefährlichen Flucht in der Wohngruppe in Oberhausen nun zur Ruhe kommen kann, liegt auch an den Betreuern, die sich um die Jugendlichen kümmern. Sie sind alle selbst vor mehreren Jahren nach Deutschland eingewandert und wissen, wie es ist, sich in einem fremden Land zurechtfinden zu müssen.

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Sozialarbeiterin Maja Jovancevic kam als Kind aus Kroatien nach Deutschland. Wenn die Jugendlichen in der Wohngruppe ankämen, seien sie erschöpft, berichtet sie. „Die Flucht war anstrengend, in den Notunterkünften konnten sie nicht ruhig schlafen.“ Nach einer Zeit der Eingewöhnung tauten die meisten der jungen Flüchtlinge auf. Dann hätten viele auch das Bedürfnis, von ihrer Flucht zu erzählen, sagt Jovancevic.

Ayman berichtet, er sei im Alter von 16 Jahren von irakischen Truppen zwangsrekrutiert worden. Ein halbes Jahr lang habe er gegen die Islamisten-Miliz „Islamischer Staat“ gekämpft. Meistens habe er sich bei den Gefechten versteckt, weil er Angst um sein Leben hatte. In einem Kofferraum verborgen floh der junge Mann nach eigenen Schilderungen dann in die Türkei. Seit mittlerweile fünf Monaten lebt er in der Wohngruppe in Oberhausen.

„Drei bis sechs Monate bleiben die Jugendlichen bei uns, dann werden sie langfristig in betreutes Wohnen oder Pflegefamilien vermittelt“, berichtet Jovancevic. Die Betreuer unterstützen die Zuwanderer bei Besuchen von Ämtern oder Ärzten und haben ein offenes Ohr für sie. Eine Haushälterin kümmert sich um das Essen, die Bewohner bringen sich dabei aber auch selbst ein.

Die meisten der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind Jungen. „Mädchengruppen gibt es wenige“, sagt Mitarbeiterin Yalda Bunyadi. In Essen bestehe beispielsweise eine Gruppe mit jungen Frauen aus Westafrika. Bunyadi ist selbst mit sechs Jahren mit ihren Eltern aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. In der Oberhausener Wohngruppe ist sie als Kulturmittlerin beschäftigt und kümmert sich vor allem um die Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Iran. Eigentlich ist sie Wirtschaftswissenschaftlerin mit einem deutschen Diplom, aber erst einmal will sie im Sozialwesen arbeiten. Sie wolle mit ihrer Arbeit ihren Beitrag leisten, sagt sie.

So wie auch Projektmitarbeiter Othmane Abouelfath aus Marokko, der gelernter Wirtschaftsingenieur ist. Abouelfath lebt seit zwölf Jahren in Deutschland und weiß um die Ängste der jungen Flüchtlinge. „Viele haben Angst vor der Abschiebung.“ Bei allen Jugendlichen ist der Wunsch groß, zur Schule zu gehen und einen Abschluss zu machen. Sobald es mit den Sprachkursen losgeht, ist den Jugendlichen kein Weg zu weit. Manche fahren bis zu 20 Kilometer, um Deutsch zu lernen.

Die meisten Betreuer und Flüchtlinge in der Wohngruppe sind Muslime, dazu kommen noch einige Christen. Das sei aber zweitrangig, betont Sozialarbeiterin Maja Jovancevic. „Es geht darum, hier so eine Art Familie zu entwickeln“, sagt sie und fügt hinzu: „Und das schaffen wir.“ (epd/mig)