Indirekter Hitler-Vergleich

Schulbuchverlag stellt Verkauf von Anti-Erdoğan-Lehrmitteln ein

Die umstrittenen Arbeitsblätter für den Schulunterricht über den türkischen Präsidenten Erdoğan werden nicht mehr verkauft. Damit reagierte der Schulbuchverlag Westermann auf einen MiGAZIN-Artikel. Der Verlag hatte Erdoğan indirekt mit Hitler verglichen und Kritik geerntet.

Der Schulbuchverlag Westermann hat den Verkauf seiner umstrittenen Arbeitsblätter für den Schulunterricht eingestellt. Auf dem Verlagseigenem Online-Shop sind die Lehrmittel für den Politikunterricht der Jahrgangsstufen 9-13 nicht mehr zu finden. Damit reagiert der Verlag auf die scharfe Kritik, die nach Veröffentlichung eines MiGAZIN-Artikels laut wurde.

In den Arbeitspapieren wurde der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan indirekt auf eine Stufe mit Adolf Hitler gestellt. Erdogans Politik nach dem Putschversuch würde „gewisse Gemeinsamkeiten mit der Situation nach dem Reichtagsbrand 1933 aufweisen“, hieß es in den Arbeitsblättern. Um diese These zu unterstreichen, bemühte der Verlag einen Auszug aus der NS-Verordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ aus dem Jahr 1933. Illustriert wurde der Text mit einer Karikatur. Darauf ist Erdoğan zu sehen, wie er an die Stelle des Halbmondes auf der türkischen Fahne ein Hakenkreuz malt. Mehrere kritische Auszüge aus Büchern, Zeitungen, Zeitschriften sowie ein NS-Auszug aus dem Jahr 1933 komplettierten die Arbeitsblätter.

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Unverständnis

Die Lehrmaterialien hatten Unverständnis bei Lehrern, türkischen Elternverbänden und Politikern ausgelöst. Mustafa Yeneroğlu (AKP), rief das Bildungsministerium auf, „solche Propagandamaterialien nicht ungeprüft für den Schulunterricht freizugeben“. Die Schüler würden „in staatlicher Obhut einseitig indoktriniert“. Der Text „wimmele nur von unwahren Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik“. Überrascht hatte sich Yeneroğlu vor allem über die Vergleiche mit dem Nazi-Regime gezeigt. Hitler und das Nazi-Regime würden „verharmlost, der Mord an sechs Millionen Juden relativiert, die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage gestellt“.

Elternverband warnt

Kritisch hatte auch die Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland (FÖTED) die Arbeitsblätter bewertet. Sie sah in der Abhandlung des Themas eine „überzogene Darstellung“. Das gelte insbesondere für den „Vergleich mit Nazideutschland, welches ein Unikum in der Weltgeschichte ist“, hatte der Bundesvorsitzender der Föderation, Ali Sak, dem MiGAZIN mitgeteilt.“ Auch wenn der „autoritäre Stil Erdoğans nicht zu leugnen sei und antidemokratische Züge enthalte“, sei die „Art und Weise des Umgangs mit dem Thema problematisch und, zumindest in dieser Form, pädagogisch zweifelhaft“. Diese Darstellung könne Schüler mit türkischem Migrationshintergrund „polarisieren und eventuell auch radikalisieren“.

Das nordrhein-westfälische Schul- und Bildungsministerium hatte die Arbeitsblätter auf Anfrage nicht kommentiert. Die Lehrer würden in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie den Schulunterricht gestalten und wie sie mit den Themen umgehen, hatte eine Sprecherin dem MiGAZIN mitgeteilt. (es)