Zweifelhafte Rekonstruktion

Erneuter Brandversuch zum Tod von Oury Jalloh

Mehr als elf Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle wird der Fall noch einmal untersucht. Ein neuer Brandversuch soll Antworten auf offene Fragen liefern. Kritiker bezweifeln das. Sie gehen von Mord in der Polizeizelle aus.

Mehr als elf Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle wird der Fall erneut untersucht. Dazu wurde im Auftrag der Dessauer Staatsanwaltschaft am Donnerstag im Institut für Brand- und Löschforschung im sächsischen Dippoldiswalde ein neuer Brandversuch vorgenommen. Nachgestellt wurde der Brand vom 7. Januar 2005, bei dem Jalloh in einer Gewahrsamszelle der Polizei starb. Mit Ergebnissen wird erst in einigen Wochen gerechnet.

Kritik am Versuchsaufbau kam von der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“. „Das hilft uns nicht weiter“, sagte deren Sprecherin Nadine Saeed. Der erneute Brandversuch der Dessauer Staatsanwaltschaft im sächsischen Dippoldiswalde werde keine Klarheit über die Todesumstände von Oury Jalloh bringen. Dagegen sagte Olaf Braun, Sprecher der Staatsanwaltschaft, „wir sind nochmals bei null gestartet“. „Wir gehen ergebnisoffen ran.“

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Mordverdacht

Der Versuch, der unter Leitung des Schweizer Forensikers Kurt Zollinger in einem Nachbau der Zelle im Institut für Brand- und Löschtechnik gemacht wurde, ist nicht das erste derartige Experiment. Im Laufe zweier Gerichtsverfahren gegen Polizeibeamte an den Landgerichten Dessau und Magdeburg waren Sachverständige wiederholt beauftragt worden, den Brand nachzustellen. Zudem hatte die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ 2013 den irischen Sachverständigen Maksim Smirnou mit einer eigenen Expertise beauftragt. Er kam zu dem Schluss, dass Jalloh die Matratze, auf der er an Händen und Füßen gefesselt lag, nicht selbst angezündet haben konnte und dass Brandbeschleuniger eingesetzt wurde.

Nach Ansicht der Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die vor Gericht Angehörige Jallohs vertrat, wurde dieser „von dritter Hand“ zu Tode gebracht. Zentrales Argument ist, dass ein angeblich in der Zelle gefundenes Feuerzeug keine DNA-Spuren Jallohs aufweist.

Szenario

Bei dem neuerlichen Brandversuch am Donnerstag spielte die Frage, wie das Feuer entstand, allerdings keine Rolle. Die Füllung der Matratze, auf der Zollinger eine Puppe platziert hatte, wurde mit einem Feuerzeug in Brand gesetzt. Das entspricht dem Szenario, dass auch die Anklage in beiden Gerichtsverfahren unterstellt hatte.

Im ersten Prozess waren zwei angeklagte Polizisten 2008 in Dessau freigesprochen worden. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil gekippt hatte, wurde ein Beamter im August 2012 am Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt. Eine erneute Revision verwarf der BGH im Herbst 2014. Bereits seit Anfang 2014 prüft die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau, ob es neue Ermittlungsansätze in dem Fall gibt.

Versuch ungeeignet

Mit dem nunmehrigen Experiment sollten laut Zollinger „zeitliche Abläufe nachvollzogen“ sowie Temperaturen, entstehende Schadstoffe und der Gewichtsverlust des Körpers gemessen werden. Um ein realistischeres Szenario zu erreichen, war die Puppe mit Haut und Fett eines Schweins präpariert worden.

Die Gedenkinitiative hält den Versuchsaufbau für ungeeignet. „Das entspricht nicht den gängigen Standards“, sagte Saeed. Diese sähen vor, ganze Schweinekadaver zu verwenden. Die von Zollinger genutzten Hautteile wirkten dagegen „wie Brandbeschleuniger“. Auch andere Details wie die Maße der Matratze stimmten nicht. Nach Ende des Versuchs, den Pressevertreter auf einer Videowand beobachten konnten, verwies Saeed auf Fotos aus der originalen Zelle. Sie zeigen eine stark verkohlte Matratze, während diese im Experiment an Kopf- und Fußende nicht in Brand geriet. „Das war nicht das Feuer aus Zelle 5“, sagte Saeed. Die Staatsanwaltschaft kommentierte den Versuch zunächst nicht. Zollinger sagte, die Auswertung werde „einige Wochen dauern“. (epd/mig)