Kino

Tarzan ringt um politische Korrektheit

Musste die filmische Wiederbelebung von Tarzan, dem „Herrn der Affen“, wirklich sein? Trotz historischer Neuverortung und Versuchen politischer Korrektheit bleiben die Macher der Neuauflage „Legend of Tarzan“ eine Antwort schuldig.

In „Legend of Tarzan“ dauert es nicht nur seine Zeit, bis aus dem britischen Adligen Lord Greystoke (Alexander Skarsgard) wieder der Tarzan wird, den wir kennen. Es bedarf auch vieler Erklärungen, bevor er sich wie gehabt mit nacktem Oberkörper von Liane zu Liane durch den mit digitalen Animationen angereicherten Dschungel schwingen kann. Der neue Film beginnt nämlich da, wo die „alten“ meist aufgehört haben: Tarzan lebt als Lord Greystoke im zivilisierten Großbritannien und ist mit Jane (Margot Robbie) verheiratet, als ihn eine Einladung des belgischen Königs Leopold II. erreicht, für einen Besuch in den Kongo zurückzukehren.

Die Macher von „Legend of Tarzan“ waren sich offensichtlich bewusst, dass ein weißer Retter in einem afrikanischen Land mit überwiegend schwarzer Bevölkerung heutzutage, um es salopp zu sagen, so seine Probleme mit sich bringt. Sie haben deshalb im historischen Fundus gegraben und mit einem schwarzen Amerikaner namens George Washington William ein moralisches Gegengewicht zum Ausbeuterkönig Leopold gefunden.

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Denn selbstverständlich schlägt Lord Greystoke die Einladung Leopolds aus. Erst als der von Samuel L. Jackson gespielte William ihn bittet, ihn im Kampf gegen die Versklavung der kongolesischen Bevölkerung zu unterstützen, sagt er die Rückkehr in den Dschungel zu. Kein Wunder, denn Jackson verleiht seiner Figur jede Menge Schlagfertigkeit und antikolonialistische Modernität.

Dann muss aber auch noch ein wirklicher Bösewicht, der von König Leopold geschickte Leon Rom (Christoph Waltz), aufwendig eingeführt und außerdem Tarzans Herkunftsgeschichte in Rückblenden erzählt werden: vom Schiffbruch der Eltern und ihrem Tod, von Baby Tarzan allein in der Wiege und von Kala, der Affenmutter, die es rettet. Und das alles in den ersten 30 Minuten. Und dann ist da ja auch noch Jane.

Aber ob die beiden als Lord und Lady Greystone hoch oben auf einem Baumast sitzend wie in einem Modemagazin drapiert sind, oder, in der Rückblende, Tarzan seine Jane beim ersten Treffen auf der Lichtung einer Dschungelkulisse abschnuppert – „Ich Tarzan, du Jane“: Das geht 2016 wirklich nicht mehr.

Vielleicht haben sich Regisseur David Yates und die Drehbuchautoren deshalb auf Actionszene nach Actionszene verlegt. Aber das funktioniert nur begrenzt. Obwohl es in teilweise rasantem Tempo durch den Dschungel, die Steppe, durch Steinbrüche, von Ast zu Ast an Lianen entlang, über reißende Sturzbäche und Wasserfälle geht, will sich wahre Spannung nicht einstellen. Die Bilder wirken konstruiert und bleiben leblos. Auch Tarzans Kommunikation mit computergenerierten Tieren zeigt, bis auf ein Wiedersehen mit zwei Löwen, wenig Seele.

Noch ein Aspekt muss unbedingt erwähnt werden: Alexander Skarsgards durchgestählter Körper, der, nach gut einer Stunde Filmzeit, dann in immer wechselnden Positionen, nicht ungleich einer Bodybuilder-Kür, präsentiert wird. Im Sprung, im Stand, immer wieder anders ausgeleuchtet. Der Schauspielerkörper wird zum Produkt, das in jede gewünschte Form gebracht werden kann. Sechs Monate qualvollen Trainings und rigoroser Diät soll Skarsgard hinter sich gebracht haben, ehe er endlich die vom Regisseur gewünschte „Vertikalität“ erreicht hatte. Wäre da nicht Skarsgards melancholisch-ausdrucksvolles Gesicht, man könnte man auch diesen Körper für ein CGI, ein computeranimiertes Bild, halten. Dann wäre die Mühe umsonst gewesen. Das Ringen um politische Korrektheit war es sowieso. (epd/mig)