Nach Nizza

Gelten unsere Werte auch für Muslime?

Nach dem Terroranschlag in Nizza sind sich Politiker aller Parteien einig. Das Ziel der Terroristen sei unsere Freiheit. Umso mehr müssten wir an ihr festhalten. Dazu kann ich als deutscher Muslim nur sagen: Leichter gesagt, als getan.

Während des Terroranschlags in Nizza saß ich zu Hause und verfasste einen Artikel über eine Muslimin in Frankreich, die aufgrund ihres Kopftuchs eine Kündigung erhalten hat. Ich schrieb bis mitten in die Nacht hinein. Wenn ich gewusst hätte, was zeitgleich geschehen ist, wäre die Nacht gewiss anders verlaufen. Wahrscheinlich hätte ich mir Gedanken gemacht, wie ich als Muslim, auf diese abscheuliche Tat reagieren sollte.

Doch warum eigentlich? Kann ich meinen Alltag nicht einfach fortsetzen? So, als ob nichts geschehen wäre? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Zunächst einmal regen sich in meinem Inneren natürlich Gefühle der Trauer und Bestürzung. Gleichzeitig gibt es eine gewisse gesellschaftliche Erwartungshaltung. Nicht jeder Muslim ist sich dieser im gleichen Maße bewusst, doch sie existiert. Sie besteht darin, dass Muslime diese Tat mindestens verurteilen – und sich höchstens dafür entschuldigen sollten. Inwiefern sind diese sozial erwünschten Forderungen jedoch angebracht?

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Bin ich ein schlechter deutsch-muslimischer Bundesbürger, wenn ich schweige und mein Leben nach außen hin, wie gewohnt weiter lebe? Politiker und Kommentatoren betonen nach Anschlägen wie in Nizza, die Bedeutung unserer Werte und Freiheit. Dazu zählt aus meiner Sicht auch, dass ich als Muslim, ohne schlechtes Gewissen weiterleben darf wie jeder andere nichtmuslimische Bürger auch. Das ich meinen privaten und beruflichen Verpflichtungen weiterhin wie gewohnt nachkomme. Ob und in welcher Form ich mich zu dem Terror äußere, ist die einzig und alleine meine Angelegenheit.