Bankrotterklärung

Griechisches Flüchtlingslager Idomeni wird geräumt

Teils bei Regen und Minusgraden haben in Griechenland Tausende Flüchtlinge über mehrere Wochen an der Grenze zu Mazedonien gelagert. Am Dienstag begann die Räumung des Camps.

Mehr als zwei Monate nach Schließung der sogenannten Balkanroute hat die Polizei mit der Räumung des Flüchtlingscamps Idomeni in Griechenland begonnen. Rund 8.500 Menschen, die im provisorischen Lager an der Grenze zu Mazedonien ausgeharrt hatten, sollen mit Bussen in offizielle Camps gebracht werden, wie die staatliche Nachrichtenagentur ANA-MPA berichtete. Die Polizei wolle keine Gewalt anwenden, sondern die Flüchtlinge überzeugen, freiwillig mitzukommen, hieß es. Der Einsatz, der am Dienstag begann und einige Tage dauern soll, verlief zunächst friedlich. Laut staatlichen Medien verließen am Morgen bereits mehrere Busse mit einigen hundert Insassen das Lager.

Im Idomeni-Camp hatten Flüchtlinge teils unter menschenunwürdigen Bedingungen bei Regen und Minusgraden monatelang ausgeharrt. Wegen der Schließung europäischer Grenzübergänge war die Weiterreise nach Norden für sie unmöglich geworden. In griechischen Flüchtlingscamps leben derzeit rund 55.000 Menschen, die meisten stammen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

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„Save the Children“ forderte die griechische Regierung auf, bei der Räumung des Camps in Idomeni Kinder besonders zu schützen. Viele der Jungen und Mädchen, besonders die alleinreisenden, hätten schon genug Traumatisches erlebt.

Hilfsorganisation: Räumung ist Bankrotterklärung

Die Hilfsorganisation medico international bezeichnete die Räumung des Grenzcamps als „Bankrotterklärung der europäischen Flüchtlingspolitik“. Die Zustände in den Ausweichlagern, in die die Flüchtlinge nun gebracht werden, seien zum Teil noch schlechter als die in Idomeni, kritisierte medico: „Es geht nicht darum, die Lage der Gestrandeten zu verbessern, sondern sie unsichtbar zu machen.“

Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ sind zudem die griechischen Behörden überfordert. Dadurch gelinge es vielen Menschen gar nicht erst, als Asylbewerber überhaupt registriert zu werden, erklärte die Organisation: „Wir schauen auf ein Szenario, in dem Menschen hier womöglich jahrelang ausharren müssen.“ Es handele sich dabei auch um alleinerziehende Mütter mit Kindern, die eigentlich sofort mit ihren Familien in den anderen europäischen Ländern vereint werden könnten. Ärzte stellten bei den Flüchtlingen zunehmend schwere Depressionen fest. Es gebe Angstreaktionen und Selbstmordversuche.

EU-Programm kommt kaum voran

Ein im vergangenen September beschlossenes EU-Programm, wonach binnen zwei Jahren insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten gebracht werden sollten, kommt kaum voran: Nach Angaben des Sprechers des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), Jean-Pierre Schembri, gelangten in zwei Monaten, vom 22. März bis zum 20. Mai, lediglich 404 Menschen von Griechenland aus in Länder wie Estland, Finnland, Bulgarien, Frankreich, Malta und Portugal. Aus Italien wurden in zwei Monaten nur 241 Menschen auf andere Länder verteilt. Seit Beginn des Programms wurden demnach rund 1500 Menschen umverteilt.

Ähnlich sieht es mit der Umsetzung des EU-Türkei-Pakts aus. Da die Türkei Menschen, die seit dem 20. März auf illegalem Weg nach Griechenland gelangt sind, zurücknimmt, will die EU im Gegenzug bis zu 72.000 Syrer aus der Türkei aufnehmen. Laut EASO gelangten über dieses Programm zwischen dem 4. April und dem 16. Mai insgesamt 177 Menschen nach Europa. Die meisten kamen nach Deutschland, Schweden und in die Niederlande. (epd/mig)