Entwicklungshilfequote

Hilfsorganisationen kritisieren Etikettenschwindel

0,52 Prozent, ein Rekordwert: Diesen Anteil vom Bruttonationaleinkommen hat Deutschland 2015 für Zwecke ausgegeben, die von der OECD als Entwicklungshilfe gewertet werden – dazu zählen auch Flüchtlingsausgaben im Inland. Bei Hilfsorganisatioen stößt das auf Kritik. Die Quote werde künstlich aufgebauscht.

Die Ausgaben für Flüchtlinge haben die Entwicklungshilfe der Bundesregierung deutlich ansteigen lassen. Deutschland zahlte nach OECD-Angaben im vergangenen Jahr 0,52 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit, etwa 16 Milliarden Euro. Das ist die bislang höchste Quote. Der Anstieg der Hilfe um 26 Prozent gegenüber 2014 geht nach den am Mittwoch veröffentlichten Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung allerdings vor allem auf die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden im Inland zurück.

Diese kann als öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) angerechnet werden. Demnach unterstützte Deutschland ankommende Flüchtlinge mit umgerechnet rund 2,7 Milliarden Euro. Deutlich bemerkbar machte sich diese Tendenz 2015 auch in den Budgets von Schweden, Österreich oder Griechenland. Hilfsorganisationen kritisierten eine Verzerrung der ODA-Quote durch die Einstufung der inländischen Flüchtlingsunterstützung als Entwicklungszusammenarbeit.

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Insgesamt gaben die Industriestaaten laut OECD 2015 gut 131,6 Milliarden Dollar (115 Milliarden Euro) für Entwicklungshilfe aus. Das komme einem Anstieg um fast sieben Prozent gleich – auf Grundlage der Preise und Wechselkurse von 2014. Auch nach Abzug der Ausgaben für die inländische Flüchtlingshilfe, die etwa ein Zehntel des Gesamtbetrags ausmache, bleibe bei den Beiträgen für die Entwicklungszusammenarbeit ein Plus von 1,7 Prozent.

Nach den USA und Großbritannien war Deutschland im vergangenen Jahr drittgrößter Geber, gefolgt von Japan und Frankreich. Umgelegt auf das Bruttoinlandsprodukt steuerten Schweden, Norwegen und Luxemburg am meisten bei. Sie lagen ebenso wie Dänemark, die Niederlande und Großbritannien über dem von den Vereinten Nationen gesteckten Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Die 19 von der OECD aufgeführten EU-Staaten kamen im Durchschnitt auf 0,47 Prozent und zahlten gemeinsam 68 Milliarden Euro und damit etwa die Hälfte der Gesamtsumme.

Deutschland trage mit der Steigerung des Entwicklungshilfehaushalts den Herausforderungen der Flüchtlingskrise Rechnung, erklärte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zu den OECD-Zahlen. Höhere Kosten in Deutschland seien dabei keine Konkurrenz für das Ziel, Flüchtlingen in der Krisenregion rund um Syrien zu helfen und eine langfristige Perspektive zu geben.

Hilfsorganisationen und Politiker der Opposition sprachen indes von einer Schönfärberei der ODA-Quote. „Die Kosten für Geflüchtete als Entwicklungsgelder zu verkaufen, ist reiner Etikettenschwindel“, erklärte die Stiftung Weltbevölkerung in Hannover. „Deutschland darf nicht bei den Armen sparen und sich selbst die Entwicklungsgelder zuschieben.“

Der Verband entwicklungspolitischer Organisationen Venro kritisierte, Deutschland werde selbst zum größten Empfänger seiner eigenen Leistungen für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Leistungen für Flüchtlinge in Deutschland seien wichtig, betonte Vorstandsvorsitzender Bernd Bornhorst. „Sie helfen den Entwicklungsländern aber nicht dabei, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in ihrem Land voranzutreiben.“ Die Steigerung der deutschen Zahlen sei nicht das Ergebnis zusätzlicher Unterstützung, sondern fragwürdiger Anrechungsmethoden, erklärten die Grünen-Politiker Uwe Kekeritz und Anja Hajduk. (epd/mig)