Lara-Sophie Milagro, Theater, Rassismus, Label Noire
Lara-Sophie Milagro © privat

Rassismus beim Theater

Wenn Schwarze MacBeth nicht spielen dürfen, aber Weiße Cleopatra

Lara-Sophie Milagro leitet zusammen mit einer anderen Schauspielkollegin das Netzwerk "Label Noir", ein Netzwerk, das nicht-weissen Schauspielern einen Raum bietet, Rollen spielen zu können, bei denen sie nicht auf ihre Hautfarbe beschränkt werden.

Von Dienstag, 12.04.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 22:57 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

MiGAZIN: Was genau ist Label Noir und worum geht es bei euch?

Lara-Sophie Milagro: Label Noir ist ein Netzwerk, das vor allen Dingen nicht-weissen Schauspielern einen Raum bietet, Rollen spielen zu können, bei denen sie nicht auf ihre Hautfarbe beschränkt werden. Wir sind insgesamt 4 konstante Mitglieder, ich übernehme mit einer anderen Kollegin zusammen die Leitung. Wir produzieren unsere eigenen Theaterstücke und Filme und arbeiten dabei sowohl mit Off- als auch mit Staatstheatern zusammen. Bei unseren Produktionen casten und besetzen wir dann auch außerhalb von Label Noir.

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Dürfen auch weiße oder nicht-dunkelhäutige Schauspieler bei euch mitmachen?

Lara-Sophie Milagro: Wir schließen keine Weißen aus! Ganz am Anfang haben wir die Gruppe bewusst schwarz gehalten, um zunächst einmal afro-deutschen und dunkelhäutigen Künstlern eine Möglichkeit zu bieten, sich künstlerisch auszuleben, ohne dabei nur auf Klischeerollen beschränkt zu werden.

„Cleopatra wird auch ständig von weißen Schauspielerinnen gespielt, sie ist aber historisch schwarz! Den Anspruch auf den Realismus erheben die Leute inkonsequenter Weise nur bei POC Schauspielern, bei weißen nicht.“

Mittlerweile sind wir aber gemischt, wir haben schwarze, asiatische, türkische und auch weiße Künstler unter uns. Wir haben den Anspruch, es besser zu machen als die meisten Staatstheater: Wir besetzen nach Talent, nicht nach – vermeintlicher – Herkunft! Aber wir achten eben auch sehr darauf, dass die POC (People of Color) nicht in der Minderheit stehen oder nur für Klischeerollen besetzt werden.

Hat Label Noir Ziele darüber hinaus?

Lara-Sophie Milagro: Wir wollen nicht in einer Nische bleiben! Unser Anspruch war von Anfang an, die Gruppe und die Produktionen auch auf großen Bühnen zu zeigen. Wir haben gesagt: Das sind auch unsere Staatstheater, wir zahlen dafür Steuern, sind aber gar nicht präsent! Das wollten wir ändern.

Du hast das Thema „Klischeerolle“ erwähnt. Ist es seit dem Start von Label Noir besser geworden oder bekommt ihr auch weiterhin schlimme Rollenangebote?

Lara-Sophie Milagro: Wir bekommen oft Schauspieleranfragen und im Zusammenhang damit auch die Drehbücher dazu geschickt. Einige Filmschaffende fragen uns auch bewusst nach unserer Meinung und wenn ich beim Lesen merke, dass die Rolle zu sehr ins Klischeehafte triftet, dann weise ich auch daraufhin. Die jungen Filmemacher sind dann sehr einsichtig und ändern das auch, die öffentlich-rechtlichen leider nicht so sehr. Da habe ich schon schlechte Erfahrungen gemacht.

Da kam einmal ein Drehbuch rein, da sollte ein Schwarzer mitspielen, der kein Deutsch kann, Aids hat, Wodoo-Zauber betreibt etc. Da war alles dabei an Vorurteilen. Es war richtig schlimm. Aber die Verantwortlichen haben es gar nicht eingesehen, was daran so schlimm sein sollte. Leider sind die, die das meiste Sagen haben, auch meistens die, die die schlimmsten Drehbücher schicken.

Du bist selbst Schauspielerin. Hattest du auch schon mit Vorurteilen zu kämpfen?

Lara-Sophie Milagro: Ich hatte mich mal für die Rolle der Lady MacBeth beworben. Die Caster schickten mir eine genervte Email zurück, mit dem Wortlaut: Danke für Ihre Bewerbung, aber wie gesagt, wir suchen eine Lady MacBeth! Sie haben mir durch die Blumen gesagt: Es ist doch klar, dass du mit deiner Hautfarbe nicht Lady MacBeth spielen kannst.

Shakespeare`s Romeo und Julia spielt in Italien – sollte demnach nur Italienerinnen oder Südeuropäerinnen Julia spielen können? Oder Hamlet nur von Dänen?!

Info: Das Label Noir wurde im Jahr 2009 von sieben afro-deutschen Schauspielern gegründet. Heute besteht es aus Jonathan Aikins, Dela Dabulamanzi, Zandile Darko und Lara-Sophie Milagro. Mehr Infos zu den Künstlern und zu aktuellen Projekten des Label Noirs findet ihr unter http://www.labelnoir.net

Lara-Sophie Milagro: Richtig! Cleopatra wird auch ständig von weißen Schauspielerinnen gespielt, sie ist aber historisch schwarz! Den Anspruch auf den Realismus erheben die Leute inkonsequenter Weise nur bei POC Schauspielern, bei weißen nicht. Da ist es auf einmal nicht so wichtig. Es ist immer nur dann wichtig, wenn ein POC eine sogenannte weiße Rolle spielen sollte – andersrum sehen sie leichtfertig darüber hinweg.

Dabei würde ich behaupten, dass es bei 90% aller Stücke nicht darum geht, welche Hautfarbe die Figuren haben. Es geht um die Struktur von Macht, um Liebe, um Sexualität.

Mein Freund kommt aus der Schweiz und ist auch Schauspieler; und er bekommt die deutschen Rollen und ich nicht – obwohl er der Ausländer ist. Man hört ihm teilweise auch den Schweizer Akzent noch an, aber bei ihm stört sich keiner dran, weil er weiss ist.

Welche Argumente hast du sonst noch dafür, dass auch nicht-weiße Schauspieler Shakespeare spielen können ?

Lara-Sophie Milagro: Ich argumentiere gar nicht, weil ich finde, dass man es nicht begründen muss! Ich frage eher: Wieso denn nicht? Ich möchte den Verantwortlichen nur sagen: Sucht euch die besten aus – unabhängig von ihrer Hautfarbe. Das Talent sollte zählen.

Wenn man sich die deutsche Theaterlandschaft ansieht, müsste man meinen, dass es keine talentierten POC Schauspieler gäbe, dass Weiße immer besser wären. Aber das wäre genauso, als ob man sich den Frauenanteil in der Führungsebene von Unternehmen anschaut und daraus die falsche Schlussfolgerung zieht, Männer wären intelligenter als Frauen. Dabei ist es längst erwiesen, dass Frauen die besseren Abschlüsse machen und so weiter.

Außerdem möchten wir von den Medien nicht immer nur als Rassismusexperten angesprochen werden. Wir sind Schauspieler und keine Aktivisten. Es geht uns um die Kunst, um die Freude beim Spielen. Das sollte man nicht vergessen. Feuilleton Interview Leitartikel

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  1. megatherium sagt:

    Das Beispiel mit Cleopatra ist nicht wirklich passend. Sie war historisch eben nicht schwarz, auch nicht eher braun, wie die einfache ägyptische Bevölkerung, sondern entstammt der griechischen Dynastie der Ptolemäer.

  2. von Holtum sagt:

    Die von Martin Bernal in seinem Buch „Black Athena“ 1987 geäußerte These, dass die griechische Kultur ihren Ursprung in Ägypten gehabt habe, ist historisch widerlegt. Damit wird auch die Annahme, eine Nachfahrin des makedonischen Generals Ptolemaios wäre schwarz gewesen, unwahrscheinlich und Kleopatra sollte weiterhin von einer weißen Schauspielerin dargestellt werden.

  3. Markus Stumper sagt:

    ich glaube es hängt immer vom jeweiligen Thema ab. Wenn eine Art Biographie von Kleopatra aufgeführt wird, dann ist es schon wichtig, dass man möglichst nah am Original dran ist. Da mach ich bei der Hautfarbe genau so einen Unterschied, wie beim Gewicht. Wenn Kleopatra aber nur eine Nebenrolle spielt, dann soll es mir herzlich egal sein…dann kann von mir aus sogar ein Alien von Proxima Centauri die Rolle übernehmen.

  4. Black Jesus sagt:

    Jesus hatte auch blonde Haare, blaue Augen und weiße Haut.

  5. MartinM sagt:

    Was die historische Kleopatra VII, betrifft: Sie war keine Schwarze.

    Wenn allerdings Cleopatra aus Shakespeares „Antony and Cleopatra“ gemeint sein sollte: Shakespeare beschreibt Cleopatra als „tawny“ – was zwar nicht gerade mit „black“ gleichzusetzen ist, aber selbst bei einer historisch textgetreuen Inszenierung die Besetzung der Rolle mit einer nichtweißen Schauspielerin nahe legt.
    Bei „modernen“, freien, Inszenierungen ist es ohnehin reizvoll, Rollen entgegen des Klischees zu besetzen. (Um bei Shakespeare zu bleiben: es gibt Inzenierungen, in denen Othello weiß ist und alle anderen Rollen mit Schwarzen besetzt sind,) Nur Mut!

  6. Ichbinich sagt:

    Interessant, dass vermutet wird Kleopatra sei Weiß gewesen…Wo steht das genau? Kleopatra Schwester Arsione war nicht weiß, die ägyptische Bevölkerung war nicht weiß und die griechische nicht zu 100% und Ptolemäer waren auch nicht weiß! By the way, Jesus ist auch nicht weiß gewesen aber er wird von weißen Schauspieler dargestellt….Erst mal dazu.

  7. Klaus von Böhmer sagt:

    Hallo Ich bin ich,
    die Geschichte ist sich nicht ganz so einig, was die Hautfarbe Kleopatras betrifft. Sie war aber eher weiß als schwarz (=negride). Auch die ägyptische Bevölkerung war zu Cleopatras Zeiten nicht negride (was ja wohl mit schwarz gemeint ist). Sicherlich war Jesus ein Weißer und sicherlich war auch die griechische Bevölkerung zu 100% weiß. Die heutige griechische Bevölkerung ist ja auch noch weiß, allerdings durch den osmanischen Einfluss etwas dunkler im Teint. Genauso wie die Spanier durch die Araber dunkler geworden sind. Das heisst aber mitnichten, dass es sich um Schwarze handelt!

    siehe auch diesen Artikel:
    http://www.welt.de/welt_print/kultur/article8149102/Wie-weiss-war-Kleopatra.html

  8. Klaus von Böhmer sagt:

    Es werden ja wohl in den Theaterstücken zu 95% Stücke aufgeführt, in denen die Protagonisten weiss sind. Warum um Himmels willen beklagen sich dann Schwarze Schauspieler, dass sie keine Rollen bekommen? Das sind ja ganz einfache statistische Wahrheiten.

  9. Sebaldius sagt:

    Und dann sind das vielleicht dieselben, die das sogenannte „blackfacing“ anlässlich der europäischen vorweihnachtlichen Nikolausfeiern als rassistisch empfinden und verbieten wollen.

    Meine Meinung dazu: Eine Quotenregelung für die schwarze Hautfarbe von Schauspielern am Theater ist so absurd wie eine Quotenregelung für das weibliche Geschlecht von Wissenschaftlern bei der Verleihung der Nobelpreise. Oder so absurd wie eine Quotenregelung zu Gunsten der Homosexuellen bei der Verleihung der Goldmedaillen bei der Olympiade.

    Leistung sollte sich wieder lohnen, und auch belohnt werden. Und nicht etwa Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht.

    Nehmt euch ein Beispiel an Michael Jackson. Der konnte auch als rein schwarzer Afro-Amerikaner rein weissen Pop singen, und dabei auch noch erfolgreich sein. Obwohl er chirurgisch, kosmetisch, farblich und sonstwie alles Mögliche getan hatte, um seine Herkunft, seine Hautfarbe und seine Identität zu verschleiern und zu verheimlichen. Jedenfalls hatte er seine Fans nicht gezwungen, ihn wegen seiner Hautfarbe zu verehren oder seine Konzerte zu besuchen.

  10. Magistrat sagt:

    Jesus war ungefähr so weiß, wie die Palästinenser von heute.