Rezension zum Wochenende

Türke. Aber trotzdem intelligent.

„Der Blick über die Welt hinaus ist der einzige, der die Welt versteht.“ Dieses Zitat von Richard Wagner, dessen Partien der Autor singt, gilt auch für das Buch „Türke aber trotzdem intelligent“ von Selcuk Cara.

Mancher deutsch-Deutsche würde Caras Titel gern mit einem Fragezeichen versehen, der von der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu Minderwertigkeitskomplexen erzogene türkische Deutsche mit einem Ausrufezeichen. Cara setzt sein Satzzeichen nach 196 Seiten, voll von Anekdoten aus seiner Kindheit, Besuchen beim Großvater in der Türkei, Auseinandersetzungen mit Neonazis, Ausbildung als Opernsänger und Filmemacher.

Immer wieder lässt er sein Wissen über die deutsche Geschichte und Kultur aufblitzen und spart dabei nicht mit Zitaten aus dem Schatzkästlein des deutschen Bildungsguts. All das nützt ihm aber nichts bei der Zollkontrolle an deutschen Flughäfen, wo er bei der Vorlage seines türkischen Passes immer wieder die Fragen beantworten soll, ob er auch deutsch sprechen könne.

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Selcuk Cara, 1969 in Deutschland geboren, studierte Philosophie, Operngesang, Szenografie und Kommunikation mit Schwerpunkt Film. Er ist der erste türkischstämmige Opernsänger mit internationalen Engagements im sogenannten Deutschen Fach. Im Wagnerjahr 2013 sang er die Partie des Hagen in Richard Wagners Götterdämmerung mit der NDR Radiophilharmonie, und auf dem Beethovenfest Bonn Ludwig van Beethovens Neunte Sinfonie – die Ode an die Freude. Nach einem Bühnenunfall reüssierte er als Autorenfilmer. Bereits sein erster Film, das Holocaustdrama »Mein letztes Konzert«, erhielt zahlreiche internationale Preise und Auszeichnungen.

Es ist immer das gleiche Dilemma, da kann sich der Deutsche türkischer Herkunft anstrengen wie er will, die Schublade des Klischees in die er gern gestopft wird, steht immer für ihn offen. Bei Caras Aufenthalt in England war es auch nicht anders, dort wurde er gefragt, ob er ein Nazi sei. Das ist alles nicht neu, aber immer wieder betrüblich zu lesen.

Bemerkenswert ist Caras Auseinandersetzung mit der Zeit des deutschen Faschismus. Ein Thema, das wie ein roter Faden sein Buch durchläuft. Auch hier wird er wieder auf seine Herkunft aus der Türkei reduziert. Bei seinem Förderantrag für seinen Film über die Schoa, wird er daraufhin gewiesen, er solle sich in Filmen doch besser der Problematik seiner Herkunft widmen. Soweit über die Weltsicht von Kulturschaffenden.

In Caras Buch geht es nicht um Integration! Es ist auch kein Beitrag zu diesem nebulösen Begriff.

Für die deutsch-Deutschen bedeutet Integration Assimilation, heißt, sei so wie ich und falle nicht weiter auf. Caras Autobiografie über sein selbstbestimmtes Leben liest sich kurzweilig, amüsiert und macht nachdenklich. Er setzt drei Ausrufungszeichen hinter den Titel seines Buchs!!!