6000 Euro Strafe

Ein dänisches Paar hilft Flüchtlingen bei der Durchreise

Die Verteidigung berief sich auf UN und EU Abkommen. Die dänische Rechtslage war ausschlaggebend. Das Gericht verhängte das gewünschte Höchststrafmaß des Anklägers. Von Nadia Convery

Lisbeth Zornig ist wütend. Sie und ihr Mann Mikael Lindholm sind von einem dänischen Gericht als Menschenschmuggler verurteilt worden. Der Tatbestand: Sie hatte eine syrische Flüchtlingsfamilie in ihrem Auto mitgenommen. Er hatte sie auf einen Kaffee zu sich nach Hause geladen. „Es ist absoluter Irrsinn, dafür bestraft zu werden, eine Familie mit Kindern davor zu bewahren, über die Autobahn zu laufen und im Freien zu schlafen“, sagt die Kinderrechtlerin.

Als Lisbeth Zornig am 7. September durch Südlolland fuhr, bot sich ihr eine Szene, die sie bisher nur aus den Fernsehnachrichten kannte: Die Polizei hatte in Rødby einen Zug voller Flüchtlinge angehalten, um sie an der Weiterfahrt zu hindern. Eine Menschenmenge entkam der Verhaftung über die Gleise und setzte die Reise zu Fuß fort.

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„Ich konnte einfach nicht mit leerem Auto weiter“, sagt Lisbeth Zornig. Also fuhr sie rechts ran und nahm eine syrische Familie mit: vier Erwachsene und zwei Kinder. Sie brachte sie nach Kopenhagen und nahm sie mit nach Hause. Es gab Kaffee und dänisches Gebäck, bevor ihr Mann, Mikael Lindholm, die Gäste zum Bahnhof brachte und ihnen Fahrkarten nach Schweden kaufte.

Wenige Wochen später erhielt das Ehepaar Post: Eine Vorladung wegen des Verdachts auf Menschenschmuggel.

Vor Gericht plädierten sie auf „nicht schuldig“, denn sie hätten nicht gewusst, dass es eine Straftat sei, Anhalter mitzunehmen. Dass sie Flüchtlingen nicht einmal auf ein Getränk in ihr eigenes Haus lassen dürften, sei ihnen auch nicht klar gewesen. Sie seien davon ausgegangen, dass nur solche Menschen als Schleuser gelten würden, die Landesgrenzen überqueren und sich dafür bezahlen lassen.

Die UN definiert Menschenschmuggel als einen Akt, der durch „finanziellen oder anderen materiellen Gewinn“ motiviert ist. Nach einer EU Direktive von 2002 können EU Mitgliedsstaaten beschließen, keine Sanktionen zu erheben, wenn Menschen handeln, um „humanitäre Hilfe“ zu leisten. Keines dieser Abkommen ist in Dänemark rechtsverbindlich. Das dortige Gesetz verbietet den Transport von Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis bei der Ein- oder Durchreise. Solchen Menschen eine Unterkunft zu verschaffen wird ebenfalls geahndet. Das Strafmaß reicht von einem Bußgeld bis zu zwei Jahren Gefängnis.

Am 11. März verurteile ein Gericht in Nyköbing, Falster, die bekannte Kinderrechtsaktivistin und ihren Mann zu einer gemeinsamen Geldstrafe von 45,000 Kronen, umgerechnet etwas mehr als 6000 Euro.

„Die Kriminalisierung des Anstands“, nennt Lisbeth Zornig das Urteil. „Es war ein politisches Verfahren“, behauptet sie, „Mein Mann und ich wurden dazu benutzt, eine heftige Botschaft zu vermitteln: Versucht nicht, Flüchtlingen zu helfen!“

Hoffnung machte dem Ehepaar jedoch, dass am selben Tag eine Gruppe dänischer Aktivisten eine Online-Spendenaktion ins Leben rief, um für die Bezahlung solcher Bußgelder zu sammeln. Innerhalb von 48 Stunden waren bereits mehr als 20,000 Euro eingegangen. „Es wärmt uns das Herz“, sagt Mikael Lindholm „und zeigt, dass es viele Dänen gibt, die mit dem Urteil nicht einverstanden sind“. Das Geld wollen sie nicht selbst in Anspruch nehmen, sondern an andere Verurteilte weiterreichen. Gegen das Gerichtsurteil werden sie Revision einlegen.

Ihr Fall ist nur einer von hunderten. Polizeiberichten zufolge sind zwischen September 2015 und Februar 2016 279 Menschen vor Gericht geladen worden.

„Wir würden es wieder tun“, sagen die zwei Dänen trotz des Urteils. Zu der syrischen Familie haben sie weiterhin Kontakt. Im vergangenen Dezember fuhren sie – ohne Mitfahrer – über die Öresund-Brücke nach Helsingborg. Dieses Mal waren sie die Gäste: Im neuen Zuhause der Flüchtlinge. Statt auf Englisch unterhielten sie sich nun auf Schwedisch: Die ganzen Familie hatte in einem Internetkurs gepaukt.