Nicht nur Schweiz

Auch Deutschland nimmt Flüchtlingen Bargeld ab

Haben Flüchtlinge es geschafft, nach Bezahlung von Schleusern und trotz vielerlei Abzocke auf dem Weg nach Europa, etwas Hab und Gut für sich zu behalten, ist spätestens an der deutschen Grenze Schluss mit Eigentum. Alles über 200 Euro wird ihnen abgenommen.

Bei der Schweiz und Dänemark sorgte das Vorgehen für Empörung, doch auch in Deutschland ist es üblich: Flüchtlingen wird bei der Ankunft ab einer bestimmten Summe mitgeführtes Bargeld abgenommen. In der Regel dürfen Neuankommende nur 200 Euro behalten, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter mehreren Bundesländern am Donnerstag ergab. Die Behörden verlassen sich dabei hauptsächlich auf die Angaben der Asylsuchenden. Durchsuchungen der Flüchtlinge lehnen viele Länder ab.

Was seit langem geltende Rechtslage ist, wurde durch einen Bericht des Boulevardblattes Bild bekannt. Das Bundesarbeitsministerium bestätigte, dass Leistungen für Asylbewerber wie Sozialhilfe „nachrangig“ sind. Vor dem Bezug muss also eigenes Vermögen aufgebraucht werden. Bild hatte über die Praxis in Bayern und Baden-Württemberg berichtet, wo ankommenden Flüchtlingen Bargeld bis zu einer bestimmten Grenze abgenommen wird.

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Bayern vergleichsweise größzügig

„Asylbewerber werden bei der Ankunft in den Aufnahmeeinrichtungen auf Dokumente, Wertsachen und Geld durchsucht“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dem Blatt. Barvermögen und Wertsachen könnten demnach sichergestellt werden, wenn es mehr als 750 Euro seien. In Baden-Württemberg werde Geld über der Grenze von 350 Euro eingezogen.

Die beiden Länder sind dabei großzügiger als zunächst angenommen. Im Asylbewerberleistungsgesetz, das die Verrechnung eigenen Vermögens mit Sozialleistungen vorsieht, wird ein Freibetrag von nur 200 Euro genannt. Der gilt in den meisten Ländern. Die zuständigen Stellen in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Nordrhein-Westfalen gaben diese Grenze in der Umfrage an.

Durchsuchungen wie von Herrmann erwähnt, sind beim Einzug von Vermögen und Wertsachen aber nicht an der Tagesordnung. Nach übereinstimmender Aussage mehrerer Landesministerien werden Flüchtlinge bei ihrer Ankunft befragt. Es werde niemand durchsucht, auch weil es dafür keine Rechtsgrundlage gebe, hieß es aus dem niedersächsischen Innenministerium. Liegt das angegebene Vermögen über dem Freibetrag, wird es einbehalten. Das Geld wird für die Sozialleistungen vom Land und den Kommunen aufgebraucht.

Thüringen: 18.000 Euro in 35 Fällen

Nicht alle Bundesländer haben aber nur die Sozialleistungen im Blick. Das sächsische Innenministerium verwies zuerst auf die eventuell anfallenden Kosten im Falle einer Abschiebung. Die seien grundsätzlich vom Betroffenen selbst zu tragen, erklärte eine Sprecherin. Die meisten Flüchtlinge seien aber vermögenslos.

Das ist auch der Eindruck in anderen Ländern: Thüringen hat nach Angaben des Migrationsministeriums 2015 in 35 Fällen rund 18.000 Euro eingezogen. Auch in Nordrhein-Westfalen heißt es, dass der Bargeld-Entzug nur selten geschehe. Die Landeseinrichtungen berichteten, dass der Großteil der Menschen aus Bürgerkriegsländern oder Krisenregionen nicht über erwähnenswerte Barmittel verfügt, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. In Brandenburg ist die Regelung bislang rein theoretischer Natur: Das Innenministerium teilte mit, dass bislang noch niemandem Vermögen entzogen worden sei.

Jelpke: Schmuckabnahme Herzlos

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl appellierte an Polizei und Behörden, beim Einsammeln sensibel vorzugehen. Es dürfe dabei auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass Willkür herrsche, sagte die rechtspolitische Referentin, Marei Pelzer. Grundsätzlich sei aber zu hinterfragen, ob sich die meist mittellosen Asylbewerber in den Erstaufnahmeeinrichtungen noch autonom bewegen könnten, wenn man ihnen kaum mehr Bargeld lasse.

Schärfere Kritik erntete die Praxis bei der Linkspartei. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin, äußerte Zweifel an dieser Praxis. Gelder für die Begleichung der Kosten einer späteren Abschiebung einzubeziehen, sei unverhältnismäßig. „Wer Asyl beantragt, nutzt ein Grundrecht. Das darf – auch im Ablehnungsfall – nicht mit Kosten für den Flüchtling verbunden sein“, erklärte Jelpke. Flüchtlingen auch noch den Familienschmuck abzunehmen, „finde ich geradezu herzlos“, so die Linkspolitikerin weiter. Denn dabei handele es sich oftmals um die wenigen Erinnerungsstücke an zurückgelassene Angehörige. (epd/mig)