Sozialethiker

Der Westen ist mitverantwortlich für Flüchtlingsbewegungen

An der aktuellen Flüchtlingssituation hat nach Ansicht von Prof. Wolf-Dieter Just der Westen einen gehörigen Anteil. Waffenlieferungen, klimaschädlicher Lebensstil und die wirtschaftliche Ausbeutung Afrikas seien wesentliche Ursachen für die Flüchtlingsbewegungen.

Für die derzeitige Flüchtlingssituation tragen nach Ansicht des Sozialethikers Wolf-Dieter Just die westlichen Industrieländer eine Mitverantwortung. „Uns muss klar sein, dass die westlichen Länder zu einem erheblichen Teil mitverantwortlich dafür sind, dass Menschen überhaupt fliehen müssen“, sagte der Mitbegründer und Ehrenvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche dem Evangelischen Pressedienst in Duisburg. Durch Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete, den klimaschädlichen Lebensstil des Westens und die wirtschaftliche Ausbeutung Afrikas durch die Industriestaaten sei die aktuelle Entwicklung forciert worden.

„Wir sollten nicht so tun, als wäre es eine Frage der Barmherzigkeit, ob wir uns der Not der Flüchtlinge annehmen“, sagte Just. „Es geht hier um Gerechtigkeit, um Verantwortungsübernahme“, betonte der Professor für Sozialethik und Sozialphilosophie an der Evangelischen Fachhochschule Bochum. Vorschläge zur Einführung einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme wies er als „grund- und menschenrechtswidrig“ zurück. Just: „Sollte man denn Flüchtlinge, die nach Erreichen der Obergrenze zu uns kommen, zurück in Krieg, Verfolgung und die Barbarei des IS schicken?“

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Die Unterbringung und Versorgung Menschen bedeute zwar für viele Kommunen „eine echte Herausforderung“, räumte der Theologe ein. Doch Westdeutschland habe es nach dem Zweiten Weltkrieg auch geschafft, zwölf bis 14 Millionen Vertriebene zu integrieren. Sie hätten längerfristig kulturell und wirtschaftlich „eine große Bereicherung“ für die Gesellschaft bedeutet, betonte Just: „Das deutsche Wirtschaftswunder wäre ohne sie kaum möglich gewesen.“

Bei der Unterbringung der Flüchtlinge sprach sich der seit vielen Jahren in der Kirchenasylbewegung engagierte Theologe für eine dezentrale Lösung aus. Statt Flüchtlinge in Sammelunterkünften unterzubringen, sollten sie lieber bei Privatleuten unterkommen. Diese könnten den Asylbewerbern nicht nur Wohnungen zur Verfügung stellen, sondern ihnen auch bei der Integration in die deutsche Gesellschaft helfen. Sofern nötig sollten auch Kirchengemeinden mit eigenen Räumen dabei helfen, die Ankommenden „menschenwürdig unterzubringen“. Kirchen seien allerdings in der Regel als Unterkünfte kaum besser geeignet als Turnhallen. (epd/mig)