Innenminister de Maizière

Flüchtlinge können Fachkräfteproblem nicht lösen

Rund 70 Prozent der Flüchtlinge sind erwerbsfähig, schätzt die Bundesagentur für Arbeit. Laut de Maizière gibt es aber keine belastbaren Erkenntnisse über ihre berufliche Qualifikation. Gleichzeitig ist sich der Innenminister sicher, Flüchtlinge könnten den Fachkräftemangel nicht decken.

Um einem Großteil der Flüchtlinge zu Jobs zu verhelfen, wollen Politik und Wirtschaft ihre Anstrengungen verstärken. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass bei vielen Flüchtlingen viel Arbeit auf uns zukommt“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einer Fachkonferenz am Donnerstag in Berlin. Man müsse die Menschen fördern und fordern. Der CDU-Politiker geht davon aus, dass 40 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland bleiben werden.

Zugleich machte der Minister klar, dass die Flüchtlinge den Mangel an Fachkräften in Deutschland nicht beseitigen können. Bisher gebe es keine belastbaren Erkenntnisse über die berufliche Qualifikation der Menschen, sagte de Maizière. Probleme würden vor allem mangelnde Sprachkenntnisse aber auch die Anerkennung von Abschlüssen oder die Standards der Ausbildung bereiten. Daher könne man auf die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland für Mangelberufe nicht verzichten.

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In diesem Zusammenhang machte de Maizière klar, dass an den bestehenden Regeln für die Einstellung von Fachleuten aus dem Ausland nicht gerüttelt wird. Er sieht keinen Bedarf, etwa die Vorrangprüfung auszusetzen. Soll eine Arbeitsstelle mit einem ausländischen Bewerber besetzt werden, muss zunächst geprüft werden, ob kein deutscher Anwärter oder ein Arbeitnehmer aus der EU den Posten übernehmen kann.

„Um diese Volkswirtschaft und diese Sozialsysteme zu halten, brauchen wir Zuwanderung“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit und Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise. Die hohe Zahl der Flüchtlinge sei eine besondere Herausforderung. Weise zufolge sind zwar rund 70 Prozent der Flüchtlinge erwerbsfähig. Allerdings hätten Erfahrungswerte gezeigt, dass nur rund zehn Prozent nach fünf Jahren arbeiten können, 50 Prozent sogar erst nach zehn Jahren. „Wir sollten uns nichts vormachen“, sagte Weise. Aber der Einsatz werde sich für die Gesellschaft auszahlen.

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, hob erneut den enormen Bedarf an Arbeitskräften mit hohen Qualifikationen, aber auch an Auszubildenden hervor. „Wir brauchen sowohl den Häuptling, als auch den Indianer“, sagte Wollseifer. Allerdings reiche es nicht aus, auf Zertifikate oder die Ausbildung der Menschen in ihren Herkunftsländern zu schauen. „Wir brauchen Berufsvorbereitungskurse und Einstiegsqualifikationen in Arbeit“, sagte Wollseifer. Dazu zählt für ihn auch ein Mindeststandard an Sprache. Seinen Angaben zufolge fehlen der deutschen Wirtschaft rund 600.000 Fachkräfte.

Man müsse beim Thema der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt „auf Sicht fahren“, sagte der Bundesinnenminister. Er sprach sich dafür aus, Integrationsmaßnahmen mit den Berufsangeboten besser abzustimmen. De Maizière zufolge werden im kommenden Jahr rund 400.000 Menschen an Integrationskursen teilnehmen. Dies seien doppelt so viele wie derzeit.

In diesem Zusammenhang ergänzte der Minister, dass an den bisherigen Standards für die Qualifizierung der Flüchtlinge nicht festgehalten werden könne. Aufgrund der hohen Zahl sei dies nicht zielführend, sagte de Maizière. Für Integrations- und Sprachkurse gebe es heute nicht genügend Fachleute. Man müsse auch beispielsweise Lehrer beschäftigen, die nicht alle bisher geforderten Standards erfüllen.

De Maizière kündigte zudem an, dass die Zahl der Beamten, die Asylanträge bearbeiten deutlich aufgestockt werden soll. Der Minister sprach von 3.700 neuen Stellen, deren Finanzierung aus dem Bundesfinanzministerium bewilligt worden sei.

Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten bei der Konferenz „Fachkräftezuwanderung und Flüchtlinge – geht das zusammen?“ die Chancen der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt. Neben Bundesinnenminister de Maizière nahmen auch Vertreter aus dem Arbeits- und Bildungsministerium teil. (epd/mig)