Aus für "Refugees Welcome

Regierung plant drastische Einschnitte und strengere Regeln für Flüchtlinge

Bundesinnenminister de Maizière plant drastische Leistungskürzungen und strengere Regeln für Asylbewerber. Das geht aus dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums hervor. Scharfe Kritik kommt von Pro Asyl und der Linkspartei.

Die Bundesregierung plant strengere Regeln und drastische Leistungskürzungen für Asylbewerber. Das geht aus dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums zur Neugestaltung der Flüchtlingspolitik in Deutschland hervor, der dem MiGAZIN vorliegt. Auf fast 150 Seiten sind weitreichende Einschnitte im Aufenthalts- Asyl- und Sozialrecht vorgesehen.

So sollen Flüchtlinge, die unter die Dublin-Verordnung fallen und für deren Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, keine Leistungen mehr erhalten, beispielsweise medizinische Versorgung, Taschengeld oder Unterbringung. Ihnen soll lediglich eine Reisebeihilfe in Form von einer Fahrkarte und Reiseproviant gewährt werden. Diese Regelung wird auch jene Flüchtlinge treffen, die in den letzten Wochen von der Bevölkerung an den Bahnhöfen mit Hilfsgütern und Willkommensgesten empfangen wurden.

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Pro Asyl: Regierung schickt Menschen in die Obdachlosigkeit

„Das Bundesinnenministerium schickt die Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit und in die soziale Entrechtung. Mit der Menschenwürde ist dieser Vorschlag unvereinbar. Menschen werden entwürdigt, um sie außer Landes zu treiben“, warnt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Das Bundesverfassungsgerichts hatte 2012 in einem Urteil entschieden, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativierbar ist.

An dieses Grundsatzurteil knüpft auch Aziz Bozkurt an, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt der SPD. Was der Innenminister mit den Leistungskürzungen plane, sei ein „Verfassungsbruch mit Ankündigung“. Dass solch ein Entwurf ausgerechnet aus dem Hause des Ministers komme, der für den Schutz der Verfassung zuständig sei, „ist skandalös“, erklärt Bozkurt.

Arbeits- und Bildungsverbot für Geduldete

Der Gesetzesentwurf sieht außerdem eine Ausdehnung des Verbleibs in den Erstaufnahmeeinrichtungen von drei auf sechs Monaten vor. Asylsuchende aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ werden sogar verpflichtet, bis zu ihrer Abschiebung in diesen Unterkünften zu bleiben. Sie dürfen weder arbeiten noch an Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Für arbeitsfähige, nicht schulpflichtige Asylberechtigte hingegen soll in Zukunft eine Arbeitspflicht gelten, wenn ihnen ein Job angeboten wird. Lehnen sie dies ab, verlieren sie ihren Anspruch auf Sozialhilfe. Die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ soll wie angekündigt um die Länder Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert werden. Die Pläne sehen zudem die Streichung von Barleistungen vor sowie eine Verschärfung des Flughafenverfahrens.

Einen deutlichen Schritt nach hinten vollzieht die Regierung vermutlich bei den langjährig Geduldeten. Wenn die Abschiebung eines Flüchtlings aus von ihm selbst vertretenen Gründen nicht vollzogen werden kann, soll er dem Gesetzesentwurf zufolge Arbeitsverbote erhalten und ebenfalls aus den Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Diese Regelung wird vermutlich viele bislang geduldete Flüchtlinge treffen. Selbst Geduldete, die zur Schule gehen, eine Universität besuchen oder einen Beruf lernen, werden dem Gesetzesentwurf zufolge gezwungen, die Ausbildung sofort zu beenden.

Linke: Diese Politik muss verhindert werden

Pro Asyl fordert Bund und Länder auf, das Gesetzespaket zu stoppen: „Der Entwurf enthält eine Vielzahl an Verschärfungen, die in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Zugang von Flüchtlingen überwiegend aus Syrien, Afghanistan und Irak stehen“, so die Menschenrechtsorganisation in einer ersten Stellungnahme. Die Bundesregierung agiere „ideen- und konzeptlos“. Die Ministerialbürokratie habe den Sommer offenbar dafür genutzt, an einem „Rollback im Asyl- und Aufenthaltsrecht zu arbeiten, anstatt sich den bürokratischen Verfahrenshemmnissen in Deutschland zu widmen“.

Scharfe Kritik kommt auch von der Linkspartei. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin, wirft der Regierung „Aktionismus“ vor. Minister de Maizières Gesetzentwurf behandele „Asylsuchende wie Untersuchungshäftlinge“. Die Verschärfungen „untergraben rechtsstaatliche Standards und führen den Schutzgedanken des Asylrechts ad absurdum“, so Jelpke weiter. „Abschiebung vor Aufnahme, Ausgrenzung statt Integration – das scheinen die Grundpfeiler der Asylpolitik zu sein, so wie de Maizière sie sich für die Zukunft vorstellt. Eine solche Politik gilt es unter allen Umständen zu verhindern“, mahnt die Linkspolitikerin.

Bozkurt weiter: „Das Wechselspiel zwischen freundlichen Tönen gegenüber Flüchtlingen und neuen haarsträubenden Restriktionsvorschlägen sind gefährliche Katalysatoren, zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas“. Die Kanzlerin müsse eingreifen, wenn sie nicht wolle, dass „das freundliche Gesicht Deutschlands Kratzer bekommt“. (bk)